Kallenbach  (Teil 1)

 

Lotte Kallenbach-Greller

Eine Philologin, Philosophin und Musikwissenschaftlerin
im Berliner Schönberg-Kreis


Teil 1

 

von
Herbert Henck

 

 

Teil 1

Kap.  1    Vorbemerkung und Überblick
Kap.  2    Herkunft und Ausbildung, Czernowitz – Wien – Berlin
Kap.  3    „Grundriss einer Musikphilosophie“ – Vorgeschichte und Folgen
Kap.  4    „Das musikalische Hören“ und andere Aufsätze; erste Briefe an Hesse
                Anmerkungen zu Teil 1

Teil 2

Kap.  5    „Grundlagen der modernen Musik“, Vorbereitung und Veröffentlichung
Kap.  6    Die Buchbesprechungen und der Konflikt mit Arnold Schönberg
Kap.  7    Hauskonzerte und IGNM
Kap.  8    „Ich bin Jüdin“ – Kallenbach-Greller zur Zeit des Nationalsozialismus
Kap.  9    Eine Bleistiftzeichnung Dolbins und ein Brief von 1937
                Anmerkungen zu Teil 2

Teil 3

Kap. 10   Nach 1945. Erfurt und letzte Jahre
Kap. 11   Heinrich Kallenbach – Ergänzungen
                      Anlass der Ergänzungen
                      Die Berliner Adressbücher
                      Die Festschrift „100 Jahre Baugesellschaft C. Kallenbach“
                      Neue Vermutungen
Kap. 12    Chronologische Übersicht unter Einbezug der Korrespondenz
Kap. 13    Die Schriften von Lotte Kallenbach-Greller im Überblick
                 Anmerkungen zu Teil 3


Anhang

Häufiger zitierte und abgekürzte archivalische Quellen

Abbildungen

Nachtrag zu Kallenbach-Grellers Nachlass

 

 

 

Kapitel 1
Vorbemerkung und Überblick

Folgender Text ist die überarbeitete Fassung meines erstmals 2006 im Internet veröffentlichten Aufsatzes über Lotte Kallenbach-Greller. Art und Ausmaß neuer Erkenntnisse ließen es geraten erscheinen, eine Erweiterung von zwei auf jetzt drei Webseiten vorzunehmen. Zunächst warfen Briefe, die in den zwanziger Jahren von Alois Hába an Kallenbach-Greller geschrieben wurden, Licht auf manche Einzelheit und machten mehrere Hintergründe verständlicher; die Briefe wurden inzwischen von der Musikologin Dr. Vlasta Reittererová (Wien) veröffentlicht und sind heute allgemein zugänglich. Über diese Dokumente hinaus beziehen sich die zusätzlichen und im Wesentlichen erst 2008/09 klar gewordenen Informationen auf einen weiteren, 1946 verfassten Lebenslauf Kallenbach-Grellers, auf die Baugesellschaft Caspar Kallenbach, auf die Scheidung von Heinrich Kallenbach sowie dessen Ableben und auf die beiden Briefe an Hermann Hesse von 1927. Schließlich kamen drei kleinere Veröffentlichungen in den Jahren 1948/49 hinzu, ein Brief von 1937 sowie eine Bleistiftzeichnung von Benedikt Fred Dolbin. Zwar ließ sich auch der Nachlass Lotte Kallenbach-Grellers im November 2008 finden, doch war eine Auswertung der Unterlagen, deren Menge mir mit „etwa einem Umzugskarton voll“ angegeben wurde, bislang nicht möglich. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und sollen an dieser Stelle nicht ausgebreitet werden. Ohnedies werden zahlreiche Fragen auch fernerhin offenbleiben, doch hoffe ich, neue Ergänzungen künftig wieder als Nachträge unter Umständen in den jetzt vervollständigten Text einbeziehen zu können. Hingewiesen sei nochmals auf die Datierung am Ende der Webseiten, wobei jeweils nur das jüngste Datum den neuesten Stand anzeigt und frühere Fassungen als veraltet zu gelten haben.


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Auf Lotte Kallenbach-Greller (1893–1968) wurde ich im Rahmen biografischer Forschungen über die Komponisten Josef Matthias Hauer, Norbert von Hannenheim und Hermann Heiß aufmerksam. Zum einen trat Kallenbach-Grellers Name durch mehrere Publikationen hervor, wobei ihr Buch Geistige und tonale Grundlagen der modernen Musik im Spiegel der Gegenwart und Vergangenheit (1930) die umfangreichste und zugleich anspruchsvollste Veröffentlichung der Autorin war. Neben diesem Buch und der 1915 in Wien vorgelegten Dissertation über Wilhelm Raabe ließen sich zwischen 1924 und 1927 ein Privatdruck sowie sechs Aufsätze in Musikzeitschriften und Kongressberichten finden. Zwei Texte über Hermann Hesse entstanden 1927 bzw. 1950, eine Sammlung von Aphorismen spätestens 1952, doch blieb dies alles unveröffentlicht. Nur ein Porträt des Schriftstellers Ilja Ehrenburg, das kurze Gedicht Hoffnung und Wahrheit sowie der Aufsatz Goethe und Thomas Mann wurden 1948/49 gedruckt.

Neben dieser überwiegend wissenschaftlichen Tätigkeit fand um 1930 in Berlin in der Wohnung von Dr. phil. Lotte Kallenbach-Greller und ihrem Ehemann, Dr. ing. h. c. Heinrich Kallenbach, eine Anzahl von Hauskonzerten statt, die in dem damals an solchen Veranstaltungen keineswegs armen Berlin zu den angesehensten und fortschrittlichsten ihrer Art gehörten. Manches Werk der Moderne kam hier vor einem gebildeten und an Neuem interessierten Hörerkreis zur Aufführung, und Arnold Schönberg oder der Musikpolitiker Leo Kestenberg befanden sich gelegentlich ebenso unter den Gästen wie der junge Wolfgang Fortner, Hermann Heiß oder Schüler aus Schönbergs Berliner Meisterklasse an der Akademie der Künste, zu denen Norbert von Hannenheim, Peter Schacht und Nikos Skalkottas zählten. Mitunter wurden diese Hauskonzerte auch in der Presse besprochen, und Hans Heinz Stuckenschmidt war einer ihrer berufenen Berichterstatter.

Den Erinnerungen der Pianistin Else C. Kraus zufolge war Kallenbach-Greller Privatschülerin Arnold Schönbergs gewesen und hatte von ihm Unterricht in musikalischer Formenlehre erhalten. Dies ließ sich zwar durch andere Quellen nicht belegen, doch pflegte Kallenbach-Greller die Beziehung zu Schönberg und seinem Kreis und schätzte den Ansatz seines zwölftönigen Komponierens. Daneben bemühte sie sich auch um Kontakt zu Josef Matthias Hauer, den sie 1929 in Wien wahrscheinlich besuchte und den sie, ohne Schönberg hierdurch in den Hintergrund treten zu lassen, in ihren Arbeiten mehrfach berücksichtigte.

Dem tschechischen Komponisten und Theoretiker Alois Hába (1893–1973) stand Kallenbach-Greller wohl bereits seit der ersten Hälfte der zwanziger Jahre nahe, und ihr Interesse an Vierteltönigkeit oder sonstigen Formen der Mikrointervallik, das sich in ihren Veröffentlichungen zeigt, mag von dieser Bekanntschaft herrühren oder beeinflusst gewesen sein. Aus der Bekanntschaft und Freundschaft mit Alois Hába wurde alsbald auch eine engere Bindung, so dass Hába am 16. April 1925 in einem Brief an die Wiener Universal-Edition von Kallenbach-Greller als seiner „zukünftigen Frau“ und einer „hochbegabten Pianistin“ spricht, die beabsichtige, seine Klavierwerke mit seiner Hilfe einzustudieren und von Berlin nach Prag umzuziehen. [1] Die offensichtlich geplante Ehe kam freilich nicht zustande, und von einer pianistischen Wiedergabe der Klavierwerke Hábas oder anderer Komponisten durch Kallenbach-Greller ist ebenso wenig bekannt wie von einer Übersiedelung nach Prag.

Über ihre publizistische und die veranstalterische Tätigkeit hinaus arbeitete Kallenbach-Greller um 1931 im Vorstand der „Ortsgruppe Berlin“ innerhalb der deutschen Sektion der „Internationalen Gesellschaft für neue Musik“ (IGNM). Waren all diese Tätigkeiten ganz auf die jüngsten Strömungen der Musik, ihre revolutionäre Problematik und theoretische Begründung, zugleich aber auch ihre Verständlichkeit und praktische Verbreitung ausgerichtet, trat Kallenbach-Grellers Beschäftigung mit Literatur über die Jahre hin immer stärker in den Vordergrund. Im Dezember 1927 schrieb sie zwei Briefe an Hermann Hesse, über den sie seinerzeit einen Vortrag im Berliner Lyceum-Club hielt. Um 1950 setzte sie die Korrespondenz mit Hesse fort und wechselte bis 1964 auch zahlreiche Briefe mit Ninon Hesse, der dritten Ehefrau des Schriftstellers.  Zum 73. Geburtstag Hesses (1950) schrieb Kallenbach-Greller ein Gedenkblatt über die gegenwärtige Bedeutung des Dichters, nachdem sie in Goethes Jubliäumsjahr 1949 einen Aufsatz über Goethe und Thomas Mann veröffentlicht hatte. 1954 besuchte sie Ninon Hesse, die gleich ihr aus der Bukowina stammte.

Diese Beschäftigung mit jüngerer oder zeitgenössischer Literatur findet sich bereits in Kallenbach-Grellers Dissertation über Wilhelm Raabe (1831–1910), scheint dann aber, nach einer Unterbrechung durch ihre Hinwendung zu musikalischen Fragen sowie der erzwungenen Beendigung ihrer Arbeiten durch den Nationalsozialismus, die gesamte Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zum Tod der Autorin eingenommen zu haben. Eine Auseinandersetzung mit dem Komponieren der fünfziger und sechziger Jahre erfolgte anscheinend nicht mehr oder führte zumindest nicht zu weiteren Veröffentlichungen. Die einst so aktive wie streitbare Befürworterin zeitgenössischer Musik, in deren Berliner Wohnung einige der angesehensten Vertreter moderner Musik zu Gast gewesen waren, zog sich mehr und mehr in ihr Privatleben zurück, verstummte und starb 1968 in aller Stille, unbeachtet nicht nur von der Musikwelt, sondern von jeglicher Öffentlichkeit.

Kallenbach-Grellers Wirken und die genannten prominenten Namen, darunter Arnold Schönberg und zwei deutschsprachige Träger des Nobelpreises für Literatur (1929 bzw. 1946), wären wohl allein schon Grund, den Lebensweg der Autorin zumindest in groben Strichen nachzuzeichnen. Vergebens waren freilich sämtliche Bemühungen, in Lexiken verschiedener Art einen auch nur kurzen Artikel, in Zeitschriften eine bescheidene Würdigung Kallenbach-Grellers oder zumindest einen Nachruf zu finden. Fast alle biografischen Angaben, die nicht unmittelbar aus ihren datierten Publikationen hervorgingen, lagen zunächst im Dunkel, doch wider Erwarten ließ sich eine nicht geringe Anzahl von Spuren in die Vergangenheit verfolgen, die schließlich bis hin zu Kallenbach-Grellers Nachlass führten. [2]

Von den beiden einzigen Fotos in öffentlichem Besitz, die Kallenbach-Greller zeigen, stammt das erste von dem Wiener Fotografen Georg Fayer und wurde während der sogenannten Beethoven-Zentenarfeier im März 1927 in Wien aufgenommen; es ist im Internet zugänglich. [3]  Das zweite Foto von Kallenbach-Greller (und ihrem Ehemann) nahm der Schweizer Fotograf Carl Brandt Ende Dezember 1930 in Arosa auf und ist hier in einem vergrößerten Ausschnitt an späterer Stelle einbezogen (Abbildung). Andere Fotos sollen im Nachlass Kallenbach-Grellers überliefert sein. – Um 1930 entstand offenbar auch ein Porträt von Kallenbach-Greller als Bleistiftzeichnung, die von Benedikt Fred Dolbin angefertigt wurde. [3a].

Erst vorliegende Forschungen, die sich über mehrere Jahre erstreckten, brachten nach anfänglich vagen, sich dann aber verdichtenden Vermutungen als schließlich belegbare Tatsache zutage, dass Lotte Kallenbach-Greller nicht nur jüdischer Abstammung, sondern auch die Ehefrau eines so angesehenen wie wohlhabenden Bauunternehmers und Bauingenieurs gewesen war. Die Folgen, die sich hieraus in der Zeit des Nationalsozialismus ergaben, sind in Kapitel 11 beschrieben. Über Geschwister ist bislang ebenso wenig wie über fernere Verwandtschaft bekannt; auch über ihre Eltern, weiß man kaum etwas. Kinder hatte Kallenbach-Greller keine. [4]

Zum leichteren Verständnis des folgenden Textes sei darauf hingewiesen, dass „Lotte Kallenbach-Greller“ jener Name ist, den die Verfasserin überwiegend für die Veröffentlichung ihrer Schriften in den Jahren 1925 bis 1930 gebrauchte. Der Aufsatz Formprobleme der neuen Musik (1924), der Bezug nimmt auf die Tätigkeit ihres Ehemanns Heinrich Kallenbach, [5] sowie der Aufsatz Das musikalische Hören (1925) erschienen lediglich unter dem Namen „Lotte Kallenbach“, ebenso das 1929 unterzeichnete Vorwort – nicht das gesamte Buch – ihrer Publikation Grundlagen der modernen Musik. „Lotte Kallenbach“ unterzeichnete sie 1927 die beiden Briefe an Hermann Hesse, und ebenso stand dieser Name in dem vorgedruckten Briefkopf. Ihr Mädchenname, unter dem sie auch zur Schule ging und in Wien studierte, lautete dagegen „Karoline Greller“. Aus „Karoline“ wurde in französisierter Form der etymologisch verwandte Vorname „Charlotte“, der zumeist aber in der Kurzform „Lotte“ in Gebrauch war, während „Kallenbach“ auch einige Male „Callenbach“ geschrieben wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg nannte sich die Verfasserin, soweit ich es überblicken kann, ausschließlich „Karoline Kallenbach“, wie es auch 1968 im Sterbebuch von Rottweil steht und wie Alois Hába sie bereits 1925 genannt hatte. Allen diesen Namensformen gerecht zu werden, ist an dieser Stelle unmöglich, und es mag sich in den langjährigen Wandlungen etwas von dem abbilden, das mit Karoline Grellers Weigerung begann, nach dem Glauben nun auch den Familiennamen ihres Stiefvaters Georg Wagner anzunehmen. Zunächst wird daher in vorliegendem Aufsatz hauptsächlich von „Lotte Kallenbach-Greller“ gesprochen, unter welchem Namen die meisten ihrer Veröffentlichungen erschienen und unter dem die Autorin bekannt wurde. Ungeachtet des Titels vorliegender Studie wird nach Kriegsende 1945 die von der Autorin bevorzugte Namensform „Karoline Kallenbach“ verwendet, woraus hervorgehen mag, dass es sich um dieselbe Person handelte.

 

 

Kapitel 2
Herkunft und Ausbildung, Czernowitz – Wien – Berlin

Lotte Kallenbach-Greller wurde am Mittwoch, dem 22. März 1893 als Karoline Greller in Sadagora [russisch für: Gartenberg, nach dem dänischen Offizier Peter Nikolaus von Gartenberg] (Sadagóra [Sadagòra], Sadgora, Sadagura, Sadgura, Sadhora, Садгора) geboren. [6] Diese kleine, im Norden der Bukowina (Bucowina) nur etwa 8 Kilometer nördlich von ihrer Hauptstadt Czernowitz (Tscherniwzi, Černivci, Chernivtsi, Черновцы) gelegene Ortschaft, einst ein Mittelpunkt des jüdischen Chassidismus, [7] gehört seit 1940 zur Ukraine, während die südliche Bukowina heute ein Teil Rumäniens ist. [8] Die deutsch-sprachige Bevölkerung („Bukowinadeutsche“), der Kallenbach-Greller angehörte, betrug 1910 etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung; Deutsch war bis 1918 Amts- und Landessprache, da die Bukowina bis zu diesem Jahr etwa eineinhalb Jahrhunderte Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie gewesen war. [9]

Die ausführlichsten Dokumente, die teilweise auch auf die frühen Jahre eingehen, sind zwei von Kallenbach-Greller 1946 und 1947 verfasste Lebensläufe im Umfang von 5 und 2 Seiten sowie das nur neunzeilige Curriculum vitae aus dem Jahre 1915, das zu ihren Promotionsakten in Wien gehört. Der Lebenslauf von 1946 im Stadtarchiv Erfurt wurde für die Anerkennung als „Verfolgte des Naziregimes“ (VdN) geschrieben, [10] während der Lebenslauf von 1947 im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar ein „Einstellungsgesuch“ in den Erfurter Schuldienst begleitete. Inhaltlich wiederholen sich diese drei Lebensläufe mehrfach, heben aber, ihrem Anlass und dem Zeitpunkt ihrer Entstehung entsprechend, Unterschiedliches hervor. Dabei ergänzen sich die Angaben zu einem biografischen Ganzen, das, wie gewöhnlich, nicht unkritisch zu übernehmen ist, dessen Authentizität jedoch außer Frage steht. Der Lebenslauf von 1946 benennt gleich im ersten Absatz Dinge, von denen ich nirgendwo sonst las, und sei daher zitiert:

    „Ich bin am 22. März 1893 in Sadagòra, Bukowina – bis zum Jahre 1918 Kronland [11] der österreichisch-ungarischen Monarchie – als Tochter jüdischer Eltern mosaischen Glaubens geboren. Mein Vater, Nathan Greller, wanderte wegen ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse kurz vor meiner Geburt zusammen mit dem Bruder meiner Mutter, Simon Rothstein, nach Amerika aus, wo sich beide eine geachtete Existenz als Kaufleute gründeten. Beide leben noch in New Jersey als amerikanische Staatsangehörige. [12] Meine Mutter sollte mit mir nachkommen, weigerte sich aber[,] ihre verwitwete Mutter, meine Großmutter, allein zu lassen. Später führte die Entfremdung der getrennt lebenden Eheleute nach einigen Jahren zur endgültigen Scheidung. Bis zu meinem 5. Lebensjahr wohnte ich mit meiner Mutter im Hause meiner Großmutter in Sadagòra, wo ich im mosaischen Glauben erzogen wurde. Nachher aber verheiratete sich meine Mutter mit einem sogenannten Volksdeutschen aus der Bukowina, Georg Wagner, und nahm mich in ihr neues Heim mit. Der Uebertritt meiner Mutter zum evangelischen Glauben entfremdete sie ihrer Familie, die ihr diesen Schritt nie verziehen hat. Sämtliche Angehörige meiner Mutter sind mosaischen Glaubens. Nach einiger Zeit, als ich sieben Jahre alt geworden war, ließ meine Mutter auch mich taufen, ich nehme an aus Rücksicht auf ihren Mann. Sie wollte offenbar vermeiden, daß ich in der Schule als mosaisch geführt werde. Meine Mutter beeinflußte ihren Mann auch dahin, mich zu adoptieren. Dies sollte, als ich 14 Jahre alt war, anläßlich meiner Konfirmation geschehen. Es kam aber nicht dazu, weil ich mich standhaft weigerte, den Namen meines Vaters [„Greller“] abzulegen.“ [13]

Karoline Grellers Eltern waren somit der hier genannte Kaufmann Nathan Greller (gest. frühestens 1947) [14] und Dorothea Greller, geb. Rothstein (geboren am 20. Juli 1871, gest. frühestens 1947). [15]  Karoline Grellers offizielle Konfession war nach ihrer Taufe (ca. 1900) evangelisch A[ugsburgischen] B[ekenntnisses]), [16] so dass die mehrfache Information dieser Glaubenszugehörigkeit in späteren Personalpapieren, einschließlich des Eintrags im Rottweiler Sterbebuch von 1968, korrekt ist. Die jüdische Abstammung von Seiten beider Elternteile geht aus dem zuletzt zitierten Lebenslauf indessen eindeutig hervor und wird, da sie zur Zeit des Nationalsozialismus von maßgeblicher Bedeutung wurde, in einem späteren Kapitel behandelt. [17] Die Mutter, Dorothea Greller, heiratete nach ihrer Scheidung den Volksdeutschen Georg Wagner. [18] Dieser muss spätestens 1947 verstorben gewesen sein, denn Karoline Kallenbach schreibt in ihren in jenem Jahr ausgefüllten Personalbogen bei den Angaben über ihre Mutter: „gesch[iedene] Greller, verw[itwete] Wagner, Cernowitz, Bucowina“. [19]

Karoline Greller besuchte „als hospitierende Privatistin“ [20] das humanistische „I. [erste] k. k. [kaiserlich-königliche] Staatsgymnasium“ in Czernowitz, bevor sie 1911 nach dem Abschluss-Examen ihr Hochschulstudium mit sechs Semestern Germanistik und klassischer Philologie an der k. k. Franz-Josephs-Universität (Yuriy Fedkovych Chernivtsi National University) in Czernowitz, der damals östlichsten deutschsprachigen Universität, aufnahm und hier bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs (August 1914) fortsetzte. [21] Zum Weiterstudium übersiedelte sie dann aus dem „Klein-Wien des Ostens“, wie man Czernowitz mitunter nannte, in die österreichische Hauptstadt, wo sie meldeamtlich ab November 1914 erfasst ist. [22] Im Oktober 1915 reichte sie hier ihre Dissertation über Wilhelm Raabe mit dem Titel ein: Die Frauengestalten in Raabes Jugendwerken mit Hinweis auf die Einflüsse und Vorbilder[23] Über ihre in Wien verbrachte Zeit und den sich anschließenden Wechsel nach Berlin heißt es in dem Lebenslauf von 1947:

    „Da ich infolge der Kriegsereignisse von den Eltern nicht unterstützt werden konnte, erhielt ich mich durch Privatunterricht und bereitete selbständig externe Schüler zu den Prüfungen am Schottengymnasium in Wien vor. Nach meiner Promotion wurde mir eine Stelle für Deutsch und Latein am Albertgymnasium in Wien angeboten, da ich aber schon seit 1915 mit meinem späteren Manne, einem Reichsdeutschen [24], verlobt war, ging ich im Herbst 1916 nach Berlin und studierte dort vorerst aus praktischen Gründen vier Semester Rechtswissenschaft. [25] Kurz vor Ende des Krieges heiratete ich und setzte die juristischen Studien vorläufig nicht fort. Später jedoch wandte ich mich ganz der Musik zu und erwarb mir, seit 1925 als wissenschaftliche Schriftstellerin tätig, einige Anerkennung. Mein Ziel war, mich in Berlin, nachdem mein Mann sich damit einverstanden erklärt hatte, für Musikphilosophie und -psychologie zu habilitieren.“ [26]

Einige Dokumente über Karoline Grellers Studium befinden sich heute im Archiv der Berliner Humboldt-Universität, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Friedrich-Wilhelm-Universität hervorging. [27] Kallenbach-Greller wurde hier unter ihrem Mädchennamen Karoline Greller und der Matrikelnummer 1273/107 geführt. Sie belegte ab dem 6. Dezember 1916 (Wintersemester 1916/17) zunächst das Fach Germanistik, wechselte aber bereits am 11. Januar 1917 in die juristische Fakultät über. Wann ihr musikwissenschaftliches Studium begann, ließ sich den Dokumenten nicht genau entnehmen, doch eine handschriftliche Bemerkung aus dem Jahre 1925 verzeichnet unter der Überschrift „Die folgenden Vorlesungen sind im Anmeldebuch [28] nicht attestiert worden“ die hier verkürzt wiedergegebenen Einzelheiten, welche zumindest indirekte Schlüsse auf den Verlauf der Studien erlauben: [29]

    Wintersemester 1916/17: Musikgeschichte – Kretzschmar [30]
    Sommersemester 1917: bürgerliches Recht – Kipp [31]
    Wintersemester 1917/18: Sachenrecht – Bauer [32]
    Wintersemester 1918/19: beurlaubt

Zusammenfassend kann man sagen, dass Karoline Greller bald nach Aufnahme ihres rechtswissenschaftlichen Studiums in Berlin auch musikwissenschaftliche Vorlesungen hörte und sie Musik und Jura zumindest eine Zeitlang parallel belegt hatte. Der offizielle Abschluss ihres Studiums im Juli 1920 ist in einem auf den 27. November 1925 datierten „Entwurf Abgangszeugnis“ von Rektor und Senat der Universität attestiert, wo es heißt, dass die wegen Nichtanmeldung oder Nichtannahme [33] von Vorlesungen erfolgte Löschung am 12. Juli 1920 stattfand, so dass Kallenbach-Greller die Berliner Universität ingesamt vom 6. Dezember 1916 an bis spätestens zum Juli 1920 besucht haben dürfte. Eine abschließende Prüfung scheint nicht erfolgt zu sein.

Kallenbach-Greller blieb lange Jahre in Berlin. In den Fragebogen von 1946 [1947] trug sie ein, dass sie von 1916 bis 1943 in Berlin wohnte; [34]  meldeamtlich war sie in Berlin ab dem 26. August 1918 erfasst (diese Unterlagen sind nur unvollständig erhalten), bis sie sich am 17. März 1944 aus Berlin-Halensee in Erfurt anmeldete. [35] In Berlin-Wilmersdorf schloss sie am 19. Oktober 1918 die Ehe mit dem Bauingenieur [36] Heinrich Kallenbach und führte fortan den Doppelnamen „Kallenbach-Greller“. [37] Was sich über den Ehemann, Heinrich Kallenbach, in Erfahrung bringen ließ, ist in Kapitel 11 zusammengefasst.

Nach ihrer Heirat setzten sich die Spuren zunächst Mitte der zwanziger Jahre fort, als Lotte Kallenbach-Greller einen ganz dem Geist der Neuzeit verpflichteten Aufsatz mit dem Titel Formprobleme der neuen Musik veröffentlichte. [38] Mag sein, dass diese Veröffentlichung in Verbindung mit Kallenbach-Grellers Unterricht bei Arnold Schönberg stand, [39] doch erwähnte seine Verfasserin weder Schönberg noch einen anderen Protagonisten der Moderne namentlich, auch wenn sie die Eigenart und die aus ihr erwachsenden Konsequenzen neuer Musik stets verteidigte. Sie schreibt: „Wer die Notwendigkeit einer neuen Form leugnet, weil Mozart mit den alten Mitteln so vollkommen geschrieben hat, verbietet damit in Wirklichkeit das Weiterleben der Musik.“ (S. 370)

 

 

Kapitel 3
„Grundriss einer Musikphilosophie“ – Vorgeschichte und Folgen

Sieht man von ihrer Dissertation ab, kam es 1925 zur ersten von zwei eigenständigen Veröffentlichungen Kallenbach-Grellers in Buchform. Ihr Titel lautet „Grundriss einer Musikphilosophie nebst kritischer Darstellung des Buches von Paul Bekker Von den Naturreichen des Klanges“. [40]  Das privat verlegte und finanzierte, vierzig Seiten umfassende Bändchen gliedert sich in zwei Teile: in den „Versuch einer allgemeinen philosophischen Betrachtung über die natürlichen und kulturellen Zusammenhänge musikalischer Kunstwerke“ (S. 7–26) und die „Kritische Darstellung von Paul Beckers [sic] Buch ,Von den Naturreichen des Klanges‘“ [41] (S. 27–39).

Auf die Frage, warum sie diesen Text im Selbstverlag erscheinen ließ, geht Kallenbach-Greller auf Seite 5 des Vorwortes mit der Ablehnung ihrer Arbeit durch die Zeitschrift Die Musik ein. Die Erklärung der Ablehnung, die ihr der Herausgeber der Zeitschrift Bernhard Schuster [42] (1870–1934) postwendend und sicherlich ohne das ihm angebotene Manuskript genauer zu lesen, hatte zukommen lassen, war nämlich auf das Unverständnis der Autorin gestoßen und wurde von ihr als unangemessen, ja kränkend empfunden. Da sie jedoch von der Gültigkeit ihrer Arbeit überzeugt war und zugleich über die Mittel hierzu verfügte, veröffentlichte sie ihre Arbeit kurz entschlossen selbst und schickte sie an mögliche Interessenten. Zwei Briefe, die in dieser Auseinandersetzung Ende 1924 zwischen Schuster und Kallenbach-Greller gewechselt wurden, sind im Nachlass von Paul Bekker [43] (1882–1937) überliefert, denn im Bedürfnis, sich zu rechtfertigen, hatte Schuster sowohl seinen eigenen an Kallenbach-Greller gerichteten Brief vom 30. Dezember 1924 wie auch ihr Antwortschreiben vom Tag darauf zusammen mit einem Begleitschreiben am 30. Januar 1925 an Paul Bekker weitergeleitet. [44]

In dieser Auseinandersetzung ist auch ein Brief Schusters an Alois Hába zu nennen (ebenfalls aus Berlin am 30. Dezember 1924), in welchem er Hába mitteilt, dass die Redaktion der Musik für Kallenbach-Grellers Text momentan keine Verwendung habe. [45]  Hába geht seinerseits, nicht ohne Ironie, in einem langen Brief auf die Ablehnung Schusters ein. Der eigentliche Brief Hábas scheint zwar nicht überliefert zu sein, doch hat sich ein undatierter Entwurf erhalten und wurde im Frühjahr 2009 auch veröffentlicht. [46]  Man darf vielleicht davon ausgehen, dass dieser Brief im Januar 1925 oder etwas später geschrieben wurde, doch sicher nicht vor diesem Zeitpunkt, da Schusters Ablehnung von Kallenbach-Grellers Aufsatz erst unmittelbar vor dem Jahreswechsel 1924/25 erfolgte.

 

 

Grundriss


Lotte Kallenbach-Greller
Grundriss einer Musikphilosophie
nebst kritischer Darstellung des Buches von Paul Bekker Von den Naturreichen des Klanges
Berlin: [Selbstverlag], (1925)

 

 

Die Inhaltsübersicht (S. 3) fasst zusammen:

    „Diese Broschüre enthält:

    1. Die eigene Arbeit der Verfasserin: Versuch einer allgemeinen philosophischen Betrachtung über die natürlichen und kulturellen Zusammenhänge musikalischer Kunstwerke.

    2. Einen kritischen Ueberblick über das Buch von Paul Bekker ,Von den Naturreichen des Klanges‘, 1925 Deutsche Verlagsanstalt erschienen, zum Zwecke einer Gegenüberstellung, die bekunden soll, daß beide Arbeiten nichts Gemeinsames haben außer der einen allgemeinsten Basis, daß beide sozusagen über ,Musik‘ geschrieben wurden. Dieses bezeugt und erläutert das Vorwort näher.“

Auf die Publikation von Kallenbach-Grellers oben abgebildetem Büchlein reagierte Die Musik in ihrer März-Ausgabe 1925 mit einer Mitteilung der Schriftleitung, wo es gleich zu Beginn heißt: „Dr. Lotte Kallenbach-Greller veröffentlichte vor kurzem eine Broschüre, in der sie sich kritisch mit Paul Bekkers Schrift »Von den Naturreichen des Klanges« beschäftigt.“ Diese Mitteilung war von Schuster und Bekker, die freundschaftlich miteinander verkehrten, abgesprochen worden. [47] Die Notiz im Druck, die im Unterschied zu Schusters vorausgegangenem Brief Kallenbach-Grellers Arbeit indirekt zur Dutzendware degradierte, dürfte einer Entspannung der Situation kaum dienlich gewesen sein, zumal sie nicht vergessen machte, dass das von Kallenbach-Greller kritisierte Buch Bekkers im selben Verlag wie Die Musik erschien, nämlich in der Deutschen Verlagsanstalt, Stuttgart und Berlin. Neben den Sachzwängen, die Schuster bei seiner Ablehnung, vielleicht gar nicht zu Unrecht, genannt hatte, dürften daher wohl auch geschäftliche Interessen bestanden haben. Insgesamt stellt sich der Eindruck ein, dass die Kontrahenten aneinander vorbeiredeten, einander nicht verstehen wollten oder konnten und beide sich auf ihre Weise an das lesende Publikum wie an einen Schiedsrichter wandten, um das eigene Vorgehen plausibel zu machen.

Die Broschüre Kallenbach-Grellers müsste damit Anfang 1925 veröffentlicht sein, und zwar in der Zeit zwischen dem Erhalt der Absage Schusters – seinem Brief vom 30. Dezember 1924 – und spätestens dem Erscheinen oder besser der Drucklegung der März-Ausgabe der Musik, in welcher die Publikation Kallenbach-Grellers genannt wurde; das Vorwort ist, wie gesagt, auf „Januar 1925“ datiert. [47a] Dabei ist anzunehmen, dass der Schuster zum Abdruck übersandte „umfangreiche Aufsatz“ weitgehend identisch ist mit der gedruckten Broschüre und dass eigentlich beide die Kenntnis des Bekkerschen Buches voraussetzen. Vermutlich schickte Kallenbach-Greller die fertige Broschüre, vielleicht sogar mehrere Exemplare, auch an Alois Hába, da ein Brief von Else Thalheimer (Köln, 13. Juni 1925) erhalten ist, in dem sie sich bei Hába für die Schrift bedankt. Thalheimer bewunderte in dem Brief einerseits das philosophische Wissen Kallenbach-Grellers, drückte andererseits aber ihr Missfallen an der gegen Bekker gerichteten und, nach ihren Worten, „berechtigten“ Polemik aus und meinte jedoch, dass hier „mit Kanonen nach Spatzen geschossen“ werde. [48]

Vlasta Reittererovás Aufsatz von 2009 geht auch auf diese Auseinandersetzung zwischen Schuster / Bekker einerseits und Kallenbach-Greller / Hába andererseits ein. [49]

Ein Inserat des Buchs erschien im März 1926 in der Zeitschrift Melos [49a]:

 

KallInsPrivat


Inserat von Raabe & Plothow in Berlin für Lotte Kallenbach-Grellers Schrift
Grundriß einer Musikphilosophie
 

 

Kapitel 4
„Das musikalische Hören“ und andere Aufsätze; erste Briefe an Hesse

Bemerkenswerterweise überschnitt sich die vorstehend beschriebene Kontroverse mit der Publikation von Kallenbach-Grellers Aufsatz Das musikalische Hören im Januar-Heft 1925 der Musik[50]  Dass dies zugleich der letzte Beitrag der Verfasserin für Die Musik war und sie sich mit ihren Arbeiten künftig lieber an andere Zeitschriften wandte, kann nicht verwundern. Als sie in diesem Aufsatz auf die Atonalität als „neuem System der Materialgestaltung“ zu sprechen kommt, erwähnt Kallenbach-Greller nicht nur Arnold Schönberg (1874–1951), sondern im selben Atemzug erstmals Josef Matthias Hauer (1883–1959): „Der bindenden Gesetzmäßigkeit der Tonalität gegenüber konstituiert sie [die Atonalität] eine Art Liberalität, aber nicht die souveräne Freiheit. Josef Matthias Hauer ist ihr praktischer und theoretischer Verfechter, Schönberg aus seinem unendlich fein differenzierten Klangempfinden heraus ein genialer Erfühler ihres Prinzips.“ [51]

In einer Fußnote kritisiert Kallenbach-Greller indes, dass Hauer ein Eklektiker sei, der sich der Quellen, „aus denen er seine musikalisch-geistige Weltanschauung schöpft“, erst noch klar werden müsse. Griechisches Ethos und „östliche Seelenformen“ mischten sich in seinem Geiste. Als mathematischer Theoretiker negiere Hauer „das nacheuklidische bewegte Weltbild“, das zur Relativität aller Bewegungsformen und im übertragenen Sinne aller seelischen Formen in Kunst, Philosophie und Wissenschaft geführt habe. In einer Hinsicht folgt sie jedoch Hauers Gedanken: „Daß Hauer Musik und Geist gleichsetzt, ist eine Tat, die man achten muß, ebenso wie sein Ringen um die geistige Formulierung seiner inneren Vorstellungen. Im Willen zur Tat ist er aufrichtig, auch wenn er noch keine exakten Begriffe gebildet hat, aber er fühlt das Bedürfnis, daß man sie bilden müsse.“ (S. 276). Und in einer Fußnote desselben Buches nennt Kallenbach-Greller Hauer einen „wirkliche[n] Denker, der die geistigen Grundlagen des ,musikschöpferischen Faches‘ so exakt erfaßt hat, daß seine Denkweise sehr wichtige Einsichten in die musikalische Kunsttechnik eröffnet“. Nur mit Kandinsky sei er daher vergleichbar. [52]  Neben Schönberg und Hauer hebt Kallenbach-Greller besonders den Ansatz von Alois Hába hervor. [53]

Mit Hába und der Vierteltönigkeit hängt auch ein anderes Dokument aus derselben Zeit zusammen. In einem Brief der sächsischen Klavierbaufirma August Förster (Löbau, 8. Januar 1925), die den Ideen von Alois Hába Gehör schenkte und seine Vierteltönigkeit in Klavierinstrumenten bautechnisch umsetzte, wird Hába zunächst die Fertigstellung des Vierteltonklaviers für den Februar angekündigt. Im Hinblick auf eine von Hába zuvor offenbar gestellte Frage heißt es dann: „Leider war es mir nicht möglich, auf Grund Ihres Telegrammes Ihnen einen Flügel im Augenblick zur Verfügung zu stellen, sondern nur ein größeres Piano. Bitte teilen Sie mir mit, ob Frau Dr. Kallenbach Anfang Februar [1925] mit der Auswechselung des Instrumentes gedient ist.“ Selbst wenn sich die Einzelheiten und Hintergründe dieser Bemerkung nicht klären ließen, hat es zumindest den Anschein, als habe sich Kallenbach-Greller in dieser Zeit um ein eigenes Viertelton-Tasteninstrument bemüht und möglicherweise in der Folge von Förster auch ein solches erhalten. Da Hába jedoch im April 1925 davon schrieb, dass Kallenbach-Greller seine Klavierwerke einstudieren und aufführen werde (siehe oben), mag ihr das Förstersche Instrument zu diesem Zwecke gedient haben. Um was für ein „auszuwechselndes“ Instrument es sich handelte, muss vorerst freilich offen bleiben, und letztlich bleibt auch fraglich, ob es in diesem speziellen Fall überhaupt um ein Instrument mit Mikrointervallen ging. [54]

Ein weiterer Aufsatz Kallenbach-Grellers kam Anfang 1926 zur Veröffentlichung. Er hat den Titel Klanggestaltungswerte in der neueren französischen Musik. Ort seines Erscheinens war diesmal die 1920 von Hermann Scherchen gegründete und von 1924 bis 1933 von Hans Mersmann herausgegebene Musikzeitschrift Melos, die anfangs im „Melos-Verlag G.m.b.H.“ in Berlin-Friedenau verlegt wurde. [55] Auch hier hob Kallenbach-Greller Schönbergs Leistungen hervor, und abermals gedachte sie Hauers. [56] Aus der französischen Musik zog sie vor allem Werke der „Six“ heran (Georges Auric, Darius Milhaud, Francis Poulenc, Arthur Honegger).

Ein Referat beim „I. [Ersten] Musikwissenschaftlichen Kongreß der Deutschen Musikgesellschaft“ in Leipzig (4.–8. Juni 1925) [57] bildete die Grundlage der nächsten Publikation Kallenbach-Grellers. Sie war als Buch mit dem Titel Klangwerte der modernen Musik mit einer allgemeinen Einleitung über Musik als Weltanschauung im Leipziger Verlag Christian Friedrich Kahnt geplant, doch kam das Buch aus unbekannter Ursache nicht zustande. [58] Einzig ein Auszug des Referats wurde als Klangwerte der modernen Musik in dem im Folgejahr veröffentlichten Kongressbericht abgedruckt. [59] Dieser Aufsatz ging zumindest teilweise in das fünfte Kapitel ihrer Grundlagen der modernen Musik (1930) ein, das den Titel hat Die theoretischen Grundlagen der kadenzierend-tonalen und der Zwölf-Töne-Musik[60] Aufbauend auf dem dynamischen Formverständnis von Ernst Kurth (1886–1946) und nach Diskussion der Begriffe Tonalität und Atonalität steht Arnold Schönbergs Zwölftönigkeit als sich aus den historischen Vorgaben folgerichtig ableitende Theorie im Mittelpunkt der Überlegungen. Da Kallenbach-Greller in diesem Zusammenhang auf Alois Hábas Versuche mit Viertel- und Sechsteltönen verweist (S. 299, Fußnote) und sich in dem Kongressbericht nach Kallenbach-Grellers Aufsatz ein Beitrag Hábas anschließt, [61] hielt möglicherweise auch er ein Referat während des Kongresses, und Kallenbach-Greller mag ihm in Leipzig begegnet sein. Eine Übersicht über die Ereignisse des Kongresses verfasste Bernhard Kieslich, doch wurde Kallenbach-Grellers Beitrag darin nicht genannt. [62]

Dass in Kallenbach-Grellers Denken die Vierteltönigkeit immer wieder eine besondere Rolle spielte, geht aus ihrem Aufsatz Die historischen Grundlagen der Vierteltöne (zuerst 1926) hervor. [63]  Am Nachmittag des 31. März 1927 hielt sie ein Referat über dieses Thema im Rahmen des Internationalen musikhistorischen Kongresses im kleinen Festsaal der Wiener Universität. Dieser Kongress fand aus Anlass von Beethovens einhundertstem Todestag parallel zu der sogenannten Zentenarfeier statt und dauerte vom 29. März bis zum 1. April 1927. Die Wiener Zeitung schrieb: „Frau Dr. Lotte Kallenbach-Greller (Berlin) sprach über die historischen Grundlagen der Vierteltöne und versuchte einen Zusammenhang herzustellen mit der antiken und mittelalterlichen Theorie. Sie erwähnte besonders Ma[r]chettus von Padua und Nicola Visentino [Vicentino], deren Bestrebungen die Referentin als maßgebend für alle modernen Vierteltonstheorien ansieht.“ [64] Erwin Felber [65] besprach in den Musikblättern des Anbruch die Veranstaltung. Zwar lobte er eine „gründliche Kenntnis der einschlägigen Fragen“ im Referat Kallenbach-Grellers, bemängelte aber, dass die Referentin „nicht bis zu den praktischen Verwendungsmöglichkeiten der rein melodischen Vierteltöne und ihrer Einordnung in ein akkordisches System vordrang.“ [66] Bei der Universal-Edition erschien der Kongressbericht der Tagung noch im Jahre 1927, und das Referat Kallenbach-Grellers wurde darin veröffentlicht. [67]

In seiner antisemitischen Propagandaschrift Musik in Gefahr (1940) kritisierte jedoch Walter Trienes die beiden vorstehend Arbeiten Kallenbach-Grellers über die Vierteltonmusik: „Abzulehnen ist der Standpunkt der Verfasserin, daß die Kunstmusik solchen Bestrebungen erwartungsvoll gegenüber zu stehen habe, oder wenn sie über die Gesetze der Natur die Absolutheit des menschlichen Geistes verkündet, jene damit als überprüfungsbedürftig hinzustellen versucht.“ [68]

Aus dem Jahre 1927 stammen noch einige andere Dokumente, die an dieser Stelle einzufügen wären. Es handelt sich zunächst um einen Brief Kallenbach-Grellers an den Leipziger Verlag Kistner & Siegel (Leipzig, 10. Januar 1927), in dem sie eine Rezension des neuen Buches von Alois Hába ablehnt, da sich Hába auf ihre eigene Arbeit berufe und sie somit nicht objektiv sein könne. [69] – Ferner ist ein Brief Hans Mersmanns (1891–1971), dem Schriftleiter von Melos, zu nennen: [70] Am 15. Oktober 1927 schreibt Mersmann von Berlin-Grunewald aus an Lotte Kallenbach-Greller, dass er gerade das Novemberheft seiner Zeitschrift disponiere, welches ausschließlich der Vokalmusik gewidmet sei. Und sich an ein Gespräch erinnernd, das Kallenbach-Greller mit ihm „in Baden-Baden [71] über das Formproblem in der Vokalmusik“ geführt habe, fragt er an, ob sie sich in der Lage sehe, dieses Gespräch zu einem Aufsatz von nicht allzu großem Umfang zu „kristallisieren“ und ihm bis Ende Oktober zukommen zu lassen. [72] Seiner etwas späten und eiligen Anfrage scheint Kallenbach-Greller indes entsprochen zu haben, denn ein Aufsatz von ihr mit der Überschrift Die Formprobleme der Vokalmusik im Rahmen einer allgemeinen Denkanschauung über das Entstehen von Musikformen kam daraufhin im November-Heft von Melos zum Abdruck. [73]

Schließlich fallen zwei Briefe Kallenbach-Grellers an Hermann Hesse in die Vorweihnachtszeit des Jahres 1927. [74] Ihrem Inhalt nach waren es nicht die ersten Briefe, die sie an den Schriftsteller richtete, denn sie bedankt sich bereits im ersten Brief für die Übersendung eines Aufsatzes und eines Gedichts, das „wundervoll“ zu ihrem „Vorhaben“ passe. Da jedoch keine weiteren Briefe aus dieser Zeit erhalten scheinen, die zwischen Kallenbach und Hesse gewechselt wurden, lassen sich zusätzliche Fragen vorerst nicht beantworten.

Die zwei Briefe datieren vom 14. bzw. 22. Dezember 1927 und gehen mehrfach auf einen Vortrag Kallenbach-Grellers im Berliner Lyceum-Club am 13. Dezember 1927 ein, der als Thema hatte: Wert, Wesen und Bedeutung des Dichters Hermann Hesse[74a] Kallenbach-Greller, die sich, wie auf ihrem vorgedruckten Briefpapier, nur mit „Lotte Kallenbach“ unterschrieb, hatte Hesse gegenüber ihren Vortrag als eine Art von „Geheimnis“ behandelt (Brief vom 14. Dezember 1927). Ansonsten geben diese Schreiben einen durchaus persönlicheren Eindruck von Kallenbach-Greller wieder, da auch ihre Ansichten vom Alltag oder eine Art von Verdruss über die „technischen Forderungen“ des Lebens darin festgehalten sind, das ihr „ein wenig zu anspruchsvoll“ erscheint. Der Brief vom 14. Dezember 1927 teilt mit, welche Werke Hesses sie in ihren Vortrag einbezogen hatte; sie nennt Peter Camenzind, Siddartha, den 1927 erschienenen Steppenwolf, Gedichte sowie die ebenfalls 1927 erschienene Nürnberger Reise. Ferner kommt zur Sprache, dass Kallenbach-Greller verschiedene Aquarelle von Hesse vorstellte, die ihr zu diesem Zweck von „Dr. Elster“ [74b] überlassen worden waren. Ninon („grade ihr hätte ich ein ganzes Buch zu schreiben“ [Brief vom 22. 12.1927]) wird einige Male namentlich genannt, in der Hauptsache aber sind die Briefe an Hermann Hesse gerichtet. In einem Postskriptum zum Brief vom 22. Dezember erwähnt sie schließlich, dass ihr „Herr Geldbeutel“ es ihr gestatte, im März [1928] ein handschriftliches Exemplar von Viktor’s Verwandlungen zu bestellen, und sie bittet, ihr dann ein Exemplar zu senden. [75]

 

Fortsetzung (Teil 2)

 

 

Anmerkungen zu Teil 1

[1] Diese Umstände traten durch die folgende zweiteilige Veröffentlichung erst 2009 zutage: Vlasta Reittererová, „Jsem z onĕch vzácnĕ se vyskytujících typů mužů, kteří radĕji slouží, chrání …“ [„Ich bin einer der nicht allzu häufigen Männer-Typen, die lieber dienen, beschützen ...“ (Übersetzung der Verfasserin)], Teil 1, in: OPUS MUSICUM. Hudební revue, 41. Jg., Nr. 1, Brno [Brünn], 2009, S. 15–29; Teil 2 (Fortsetzung und Ende) unter derselben Überschrift mit der Ergänzung „II. díl“, ebd., 41. Jg., Nr. 2, Brno 2009, S. 4–22. Beide Hefte erhielt ich im Juni 2009 von der Verfasserin. Der Brief von Hába (16. April 1925) ist im Wortlaut zitiert und befindet sich als Original in der Wienbibliothek im Rathaus; vgl. im Teil 2 des genannten Aufsatzes auf Seite 5, linke Spalte mit Fußnote 5.

Dr. Vlasta Reittererová (Wien), die mir fast alle der hier einbezogenen Hinweise auf Alois Hába zur Verfügung stellte, danke ich besonders für den Austausch jeglicher Informationen, die einer Veröffentlichung vorausgingen. Reittererová bereitet gemeinsam mit Lubomir Spurny (Brno) ein Werkverzeichnis von Hába sowie eine Edition ausgewählter Briefe vor. Sie teilte mir darüber hinaus brieflich mit (E-Mail am 6. September 2007), dass Hába und Kallenbach-Greller vermutlich schon während Hábas Studium in Berlin (1920–1923) miteinander bekannt wurden und Hába in der Kontroverse mit Paul Bekker (vgl. Kapitel 3) auf der Seite Kallenbach-Grellers stand.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte Reittererová den Aufsatz Hudební umĕní jako realizovaná pravdivost. Podíl Aloise Háby na stavbě a propagaci čtvrttónového klavíru (Die Tonkunst als realisierte Wahrhaftigkeit. Anteil Alois Hábas an dem Bau und der Propagierung des Vierteltonklaviers), in: Hudební vĕda, 45. Jg., Nr. 1–2, Prag 2008, S. 125–178; deutsche Zusammenfassung auf S. 177 f.

[2] Auf Lücken, die durch bislang nicht erfolgte Einsichtnahme in verschiedene Dokumente, wie den weitaus größten Teil der Korrespondenz mit Hermann und Ninon Hesse, auftraten, wird im Laufe dieser Untersuchung verschiedentlich hingewiesen. Die ersten Ergebnisse meiner biografischen Forschung über Kallenbach-Greller wurden in die folgende Publikation einbezogen: Herbert Henck, Hermann Heiß und Norbert von Hannenheim. Zwei Komponisten im Berliner Schönberg-Kreis, in: Ludwig Holtmeier (Hg.), Arnold Schönbergs „Berliner Schule“, München: edition text + kritik, Reihe: Musik-Konzepte, hg. von Heinz Klaus Metzger und Rainer Riehn, Bd. 117/118, Oktober [recte: Dezember] 2002, S. (66)–83; hier S. 69–70 der Abschnitt Lotte Kallenbach-Greller. Weiteres findet sich in: Norbert von Hannenheim. Die Suche nach dem siebenbürgischen Komponisten und seinem Werk, Deinstedt: Kompost-Verlag, 2007, S. 142, 241 und 257 (nicht im Register), sowie in: Hermann Heiß. Nachträge einer Biografie, Deinstedt: Kompost-Verlag, 2009, S. 78, 115 und 416 oder floss zum Teil auch ein in den zu Beginn von Anm. [1] genannten Zeitschriften-Aufsatz.

Rechtsnachfolger scheint Lotte Kallenbach(-Greller) keine zu haben. Wie in diesem Aufsatz belegt werden wird, wurde ihre Ehe 1939 geschieden; Kinder oder Geschwister hatte sie keine. Ihr Vater wanderte in die USA aus, ihre Mutter (geboren 1871) lebte 1947 offenbar noch in der Bukowina, ist inzwischen aber wohl längst verstorben. – Nachtrag zu Kallenbach-Grellers Nachlass hier.

[3] Das Foto befindet sich im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek Wien und trägt die Unterschrift: „Dr. Lotte Kallenbach-Greller | Berlin“; Wiedergabe hier, Signatur: PB 580.555-F 632, S. 109, Katalogzettelnummer: #487979a (A:P). Fotograf: Georg Fayer (Wien), Bildnisalbum zur Beethoven-Zentenarfeier, Wien, März 1927. – Fayer war vertreten in der Ausstellung Übersee. Flucht und Emigration österreichischer Fotografen (Kunsthalle Wien, 1998), gleichnamiger Katalog hg. von Anna Auer, Wien: Kunsthalle Wien, 1999, hier S. 98 f.; Fayer emgrierte 1938.

[3a] Vgl. zu Benedikt Fred Dolbin auch Anm. [8], den mit Anm. [149] versehenen Satz (Teil 3) sowie besonders Kapitel 9: Eine Bleistiftzeichnung Dolbins und ein Brief von 1937.

[4] In dem Personalbogen (1947), Bl. 1r, schreibt Kallenbach zu der Frage nach Kindern: „Keine“.

[5] Vgl. Anm. [36].

[6] Übereinstimmendes Datum im Curriculum vitae (1915) sowie den beiden Lebensläufen von 1946 und 1947. Ferner sind Geburtstag und -ort durch das Rottweiler Sterbebuch von 1968 bestätigt, in dem das Sterbedatum mit dem 20. Februar 1968 angegeben ist.

Im Entwurf Abgangszeugnis von Rektor und Senat der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (datiert: Berlin, 27. November 1925) wird zwar der 23. 3. 1893 als Geburtstag genannt, doch handelt es sich hier vermutlich um einen Irrtum, und den mehrfachen autografen Angaben wäre der Vorzug zu geben. Vgl. Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Bestand AZ 2191 vom 25.11.1925.

[7] Besonders durch den so genannten Wunder-Rabbi Israel Friedman(n) von Sadagora (1797–1850), dessen Palast bis heute eine der touristischen Attraktionen ist. Rose Ausländers Gedicht Der Vater (aus: Blinder Sommer) beginnt: „Am Hof des Wunderrabbi von Sadagora | lernte der Vater die schwierigen Geheimnisse | Seine Ohrlocken läuteten Legenden | in den Händen hielt er den hebräischen Wald“; vgl. auch das Video nach dem Gedicht bei YouTube (hier) wie auch die Webseiten der „Rose Ausländer-Stiftung“ (hier). Zum Chassidismus vgl. hier.

[8] Die Bukowina ist Herkunftsland zahlreicher bedeutender deutschsprachiger Künstler jüdischer Abstammung, unter denen besonders die Lyriker hervorragen. Man denke an Alfred Margul-Sperber (1898–1967), Rose Ausländer (1901–1988), Alfred Kittner (1906–1991) oder Paul Celan (1920–1970). Auch Ninon Hesse (1895–1966, geborene Ausländer), die 1931 Hermann Hesse heiratete, stammte aus der Bukowina; sie hatte Medizin, Kunstgeschichte und Archäologie studiert und war seit 1918 für kurze Zeit mit dem Karikaturisten Benedikt Fred Dolbin (1893–1971) verheiratet gewesen, der bei Schönberg in den Jahren 1908–1909 und 1912–1917 Kontrapunktunterricht genommen hatte.

[9] Vgl. Cécile Cordon und Helmut Kusdat (Hg.), An der Zeiten Ränder. Czernowitz und die Bukowina. Geschichte – Literatur – Verfolgung – Exil, Wien: Theodor Kramer Gesellschaft, 2002. An der Augsburger Universität widmet sich das Bukowina-Institut der Thematik.

[10] VdN = „Verfolgte des Naziregimes“, offizielle Bezeichnung in der DDR.

[11] Als „Kronland“ wurde einst jedes zur ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie gehörige Gebiet bezeichnet. Vgl. auch hier.

[12] Vgl. zum Todeszeitpunkt des Vaters Nathan Greller Anm. [14].

[13] Karoline Kallenbach, Lebenslauf (1946), S. 1, Stadtarchiv Erfurt.

[14] Gleichwohl soll ein Widerspruch dieser Angaben nicht übersehen sein, der sich zu Akten im Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin ergibt. In diesen Akten nämlich wird der Vater als verstorben gekennzeichnet: Zweimal ist hier bei seinem Namen und Beruf ein Kreuz († = verstorben) eingetragen, ein Symbol, das erstmals bei Karoline Grellers Berliner Immatrikulation (Nr. 1273) am 6. Dezember 1916 erschien. Dem Verstorbensein steht jedenfalls gegenüber, dass der oben zitierte Lebenslauf von 1946 sagt: „Beide [die Rede ist von dem Vater Nathan Greller sowie dem Onkel Simon Rothstein] leben noch in New Jersey als amerikanische Staatsangehörige.“ Wie dies zu erklären ist, weiß ich nicht, doch wäre auch hier wohl der Aussage der Tochter, die den Vater noch als in den USA lebend bezeichnet, der Vorzug zu geben, zumal das nicht autografe Kreuz in den Berliner Akten vielleicht auch als Pluszeichen lesbar ist, das einmal vor, einmal hinter dem Namen erscheint und somit für etwas anderes stehen mag.

[15] Der Mädchenname der Mutter wurde mir aus den Berliner Meldeunterlagen als „geb. Rohstein“ zusammen mit dem Geburtsdatum 20. Juli 1871 mitgeteilt (Brief des Landesarchivs Berlin, Geschäftszeichen LA/1 C 2/303-02 vom 22. Februar 2002). Der Lesart „Rothstein“ der Tochter wird hier der Vorzug zu geben sein. – Da Karoline Kallenbach 1947 in ihren Personalbogen eintrug, dass ihre Mutter in Cernowitz wohnhaft und verwitwet sei, kann sie frühestens 1947 verstorben sein (vgl. Anm. [19]).

[16] A. B. = Augsburgischen Bekenntnisses. In Österreich übliche Bezeichnung im Unterschied zu „evangelisch H. B.“ = Helvetischen Bekenntnisses.

[17] Vgl. Kapitel 10: „Ich bin Jüdin“ – Lotte Kallenbach-Greller zur Zeit des Nationalsozialismus.

[18] Als „Volksdeutsche“ wurden nach dem Ersten Weltkrieg gewöhnlich Menschen mit deutscher Muttersprache (außer Österreichern, Deutsch-Schweizern, Liechtensteiner und Luxemburgern) genannt, wobei im Gegensatz zu den „Reichsdeutschen“ die Ländergrenzen keine Rolle spielten. So bezeichnet Kallenbach-Greller beispielsweise ihren Ehemann Heinrich Kallenbach als „Reichsdeutschen“ (vgl. das durch Anm. [26] belegte Zitat).

[19] Personalbogen (1947), Bl. 1r.

[20] Curriculum vitae (1915). Der Begriff „Privatistin“ – eine gängige österreichische Wendung – bezeichnet eine Schülerin, die sich, ohne eine Schule regulär zu besuchen, hier jedoch auf ein Abschluss-Examen vorbereitet. Um solche „Privatisten“ oder „externe Schüler“ hatte es sich wahrscheinlich gehandelt, die als Privatschüler von Karoline Greller auf die Prüfungen am Wiener Schotten-Gymnasium vorbereitet wurden; vgl. den Lebenslauf von 1947 und das durch Anm. [26] belegte Zitat.

[21] Lebenslauf von 1946, Bl. 1, letzter Absatz; Lebenslauf von 1947, Bl. (1), erster Absatz.

[22] Laut Wiener Melderegister (Stadt- und Landesarchiv Wien) zog Karoline Greller am 4. November 1914 aus Czernowitz zu und wohnte bis zum 2. Oktober 1915 in der Lederergasse 23/143 im 8. Bezirk. In der Folge wechselte sie innerhalb Wiens mehrfach ihre Wohnung.

[23] Die Dissertation, die nach Auskunft des Universitätsarchivs Wien verschollen ist, wurde am 15. Oktober 1915 eingereicht. In diesem Archiv sind noch weitere Dokumente erhalten, die mit Grellers Doktorarbeit zusammenhängen. Am 3. bzw. 6. Dezember 1915 wurde die Dissertation mit Unterschriften der Professoren Brecht und von Kraus als „geeignet zur Approbation“ befunden, auch wenn die Verfasserin (ähnlich wie andere Verfasser „über den stoffreichen Raabe“) „des Stoffes noch nicht ganz Herr geworden“ sei. Es handelte sich bei den Genannten einerseits um den Literaturhistoriker und Germanisten Walther Brecht (1876–1950), der von 1913 bis 1925 ordentlicher Professor in Wien war, andererseits um Carl von Kraus (1869–1952), der von 1913 bis 1917 Professor in Wien war. (Freundliche Mitteilungen von Herrn HR Dr. Kurt Mühlberger, Leiter des Universitätsarchivs Wien.)

Eine Veröffentlichung von Grellers Doktorarbeit scheint zumindest in Planung gewesen zu sein, denn ein Brief Grellers vom 24. Juni 1916 an das Dekanat der Universität Wien bat um Überlassung ihrer Dissertation „zwecks Drucklegung“, wobei sie sich zu einer Rückgabe der Arbeit „innerhalb von 6 Monaten“ verpflichtete. Ihr Brief wurde von Brecht und Kraus befürwortend abgezeichnet. Ob und gegebenenfalls warum Greller die Dissertation nicht zurückgab, ließ sich nicht klären, doch da sich ein Druck bibliografisch nirgends nachweisen ließ, kam er vermutlich nicht zustande. Zur Erfassung der Dissertation vgl. Fritz Meyen, Wilhelm Raabe. Bibliographie, 2. Aufl., Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1973, S. 183 (Nr. 1282).

Eine Anfrage bei der „Wilhelm-Raabe-Forschungsstelle“, die der Braunschweiger Stadtbibliothek angegliedert ist, führte hinsichtlich der Dissertation Grellers nicht weiter (briefliche Auskunft vom 8. Juli 2004 von Dr. Gabriele Henkel). Bemerkenswert war, dass sich eine wenige Jahre später in Bonn entstandene Dissertation mit einem ähnlichen Titel sowie ein gedruckter Auszug derselben nachweisen ließ, nämlich die Dissertation von Lucie Oelmann, Frauengestalten in Wilhelm Raabes Jugendwerk einschließlich der Trilogie, Bonn, Phil. Diss. vom 31. Januar 1922 [1925], VII + 62 S. bzw. Bonn: Rhenania-Druck, 1922, 8 S. (Auszug). Die Arbeit konnte bisher nicht eingesehen werden, so dass auch keine Prüfung stattfinden konnte, ob hier Kallenbach-Grellers Arbeit schon zitiert oder zumindest bibliografisch aufgenommen wurde. (Die Dissertation Kallenbach-Grellers scheint in ihrem Nachlass erhalten zu sein, war mir aber ebenfalls nicht zugänglich.)

[24] Zum Begriff des „Reichsdeutschen“ Vgl. Anm. [18].

[25] Als Beruf erscheint „Dr. phil., Studentin der Rechtswissenschaft“ in den Berliner Meldeunterlagen (briefl. Mitteilung des Landesarchivs Berlin vom 22. Februar 2002).

[26] Karoline Kallenbach, Lebenslauf von 1947, zweiter Absatz, Bl. 4r. Bei dem erwähnten Schottengymnasium handelt es sich um eine altangesehene, noch heute bestehende Schule; vgl. Johannes Jung (u. a.), Das Schottengymnasium in Wien. Tradition und Verpflichtung, Wien: Böhlau, 1997.

[27] Diese Dokumente aus dem Archiv der Berliner Humboldt-Universität wurden mir im Dezember 2008 in fotokopierter Form zugänglich gemacht. (Für die Recherchen habe ich Ilona Kalb, Berlin, vielmals zu danken.)

[28] Das genannte Anmeldebuch lag mir nicht vor.

[29] Entwurf Abgangszeugnis, Nr. 1.

[30] Hermann Kretzschmar (1848–1924), Musikwissemschaftler, seit 1904 Professor an der Berliner Universität. Vgl. Walther Vetter, Kretzschmar, Hermann, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 7 (1958), Sp. 1769–1772.

[31] Theodor Kipp (1862–1931), deutscher Jurist; unterrichtete an der Berliner Universität; 1914/15 deren Rektor.

[32] Unklar, wer gemeint ist.

[33] Die Auflösung des abgekürzten Wortes ist nicht ganz zweifelsfrei, und beide Lesarten scheinen mir möglich, auch wenn dies von der Sache her keinen allzu großen Unterschied bedeuten mag. Die Lesart „Nichtanmeldung“ scheint mir jedoch passender zu sein, da es ja auch ein „Anmeldebuch“ gab (siehe Anm. [28]).

[34] Fragebogen (1946 [1947]), Bl. 15r.

[35] Meldeunterlagen im Landesarchiv Berlin (Brief vom 22. Febr. 2002) sowie Meldeunterlagen aus dem Stadtarchiv Erfurt (Brief vom 5. Mai 2004).

[36] Der Beruf des Ingenieurs verkörperte für Kallenbach-Greller den Geist ihrer Zeit schlechthin, wenn sie 1924 schrieb: „Auch beim Ingenieur, dem stärksten Typus des Gegenwartsmenschen, ist das Gefühl ständiger Begleiter, und das Flugschiff ist nichts anderes, als ein praktischer Versuch, die Schwere zu überwinden, um Weiten zu durchmessen.“ Vgl. Lotte Kallenbach, Formprobleme der neuen Musik, in: Deutsche Kunstschau. Halbmonatsschrift für das gesamte Kunstleben Deutschlands, hg. von Willy Werner Göttig, 1. Jg., Nr. 20, Offenbach am Main: J. André, 15. November 1924, S. 369–371; hier S. 370.

Dass Lotte Kallenbach hier ein „Flugschiff“ als Beispiel heranzieht, ist gewiss nicht zufällig, denn auf diesen Bezug macht auch die 1963 erschienene Festschrift 100 Jahre Baugesellschaft C. Kallenbach (wie Anm. [168]) auf S. 23 aufmerksam: „Heinrich Kallenbach […] hatte in diesen Jahren [vor 1911], wie man heute sagen würde, ein besonderes Hobby gefunden. Sein Studienfreund Rößler [sic; gemeint ist wohl Carl (Karl) F. M. Rösner (1880–1942)] war unter die Flugzeugbauer gegangen und hatte ihn für den Flugzeugbau begeistert. So kam es, daß die drei Brüder [Kallenbach] einen ,Flugapparat‘ bauen ließen und im Jahre 1911 an einer Flugveranstaltung in Köln teilnahmen. Der Flugapparat, aus Bambus mit einer Seidenbespannung, flog zwar, konnte aber, wohl wegen seines zu schwachen Motors, in der Konkurrenz nicht bestehen. Er landete endgültig in einem Schuppen des Bauplatzes in Hamm und gab im Weltkrieg seine Seidenbespannung für Autostaubmäntel her. Aus Herrn Dipl.-Ing. Rößler [recte: Rösner (s. o.)] wurde der erfolgreiche Mitkonstrukteur der ,Gotha’s‘ [größter deutscher strategischer Bomber] im ersten Weltkrieg.“ Über Rösner informiert auch die Webseite Invisible silent German aeroplane in 1914; hier ist zu Rösner eine Quelle benannt, die mir aber nicht vorlag: Flugsport, 3. Jg. (1911), Nr. 8, 23. August 1911, S. 641–644.

[37] Standesamt Berlin-Wilmersdorf, Nr. 742/1918. Auskünfte aus dem Stadtarchiv Freiburg im Breisgau vom 26. März 2002 und dem Standesamt (Bürgerbüro) Rottweil vom 16.4.2004.

[38] Lotte Kallenbach, Formprobleme der neuen Musik (wie Anm. [36]).

[39] Else C. Kraus überliefert in einem Brief an Karla Höcker, dass Lotte Kallenbach-Greller „mit Schönberg musikalische Formenlehre“ gearbeitet habe (wie Anm. [108], S. 100). Fraglich sind jedoch Ort und Zeitpunkt, da Schönberg und  Kallenbach-Greller zur selben Zeit in Wien und später in Berlin wohnten, so dass beide Städte in Frage kämen. Da sich keine andere Quelle finden ließ, die diese Behauptung stützt, scheinen mir zwar keine Zweifel, jedoch Bedenken angebracht, in welchem Rahmen und Umfang dieser Unterricht stattfand.

[40] Berlin: [Selbstverlag], Vorwort (S. 5) am Ende datiert: „Berlin, Januar 1925. | Dr. phil. Lotte Kallenbach-Greller“, 39 + (1) S., kartonierte Ausgabe. Auf S. (2) finden sich folgende Vermerke: „Privatmanuskript + Eigentum des Autors | Nachdruck verboten | Alle Rechte, einschließlich Uebersetzung und Verbreitung, vorbehalten“. Auf S. (40) steht die Angabe: „Druck: | Guido Hackebeil A.-G. | Berlin S14“. Bei dieser Druckerei, die zu dem gleichnamigen Verlag gehörte, handelte es sich um ein angesehenes Unternehmen, das in den zwanziger Jahren (bis etwa 1931) zum Teil aufwändig gestaltete Bücher herausgab: Werke über Architektur, Kunst, Fotographie, Städtebau, Denkmalschutz, Luftfahrt und Eisenbahnen, doch auch mehrere Werke belletristischen und dichterischen Inhalts.

Das vom Verfasser im August 2001 antiquarisch erworbene Exemplar von Kallenbach-Grellers Privatdruck (siehe Abbildung) trägt auf dem Schmutztitelblatt den handschriftlichen Hinweis: „Verkauf: | Breitkopf u. Härtel | Berlin Potsdamerstr. 21.“ „Potsdamerstraße 21“ ist die Charlottenburger Adresse von Breitkopf & Härtel und zugleich von Raabe & Plothow. Zur gemeinsamen Inserierung vgl. das allererste Heft von Melos (Februar 1920, S. 24); zur Adresse siehe das Berliner Adreßbuch 1925, Teil IV, S. 751, Sp. 7.

Ein Exemplar des Druckes befindet sich im Besitz der Deutschen Bücherei Leipzig (Signatur: 1926 A 15629), wobei der Katalog als Verlag in eckigen Klammern vermerkt: „Raabe & Plothow”. Woher diese Information stammt und was sie besagt, ist vorerst nicht ganz klar, doch gehörte die Berliner Musikalienhandlung Raabe & Plothow laut einer Literaturangabe zu dem Verlag Breitkopf & Härtel; vgl. Bettina Hinterthür, Noten nach Plan. Die Musikverlage in der SBZ/DDR, Stuttgart: Steiner, 2006, Reihe: Beiträge zur Unternehmensgeschichte, Bd. 23, S. 308, Fußnote 861. Durch das Inserat ließ sich jedoch dieser Umstand wohl klären; vgl. Anm. [49a].

[41] Gemeint ist: Paul Bekker, Von den Naturreichen des Klanges. Grundriss einer Phänomenologie der Musik, Stuttgart und Berlin: Deutsche Verlags-Anstalt, 1925, 75 S. – Selbst wenn Kallenbach-Greller sehr schnell gearbeitet und das nur 75 Seiten umfassende Büchlein Bekkers rasch gelesen haben mag, so will mir die Datierung „1925“ als eine Vordatierung erscheinen, die einen erst gegen Ende des Jahres fertiggestellten Druck nicht nach dem Jahreswechsel als aus dem Vorjahr stammend und somit „veraltet“ erscheinen lassen will. Es verwundert daher nicht, dass man bei diesem Druck, sofern es sich nicht um eine Verwechslung handelt, gelegentlich auch der Jahresangabe „1924“ begegnet; vgl. etwa http://de.wikipedia. org/wiki/Paul_Bekker. In Hofmeisters Musikalisch-literarischem Monatsbericht ist Bekkers Veröffentlichung weder im Jahrgang 1924 noch 1925 angezeigt.

[42] Zu Bernhard Schuster vgl. den Artikel Schuster, Bernhard, in: Erich H[ermann] Müller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden: Limpert, 1929, Sp. 1317; ferner Artikel Schuster, Bernh[ard], in: Paul Frank und Wilhelm Altmann, Kurzgefaßtes Tonkünstler-Lexikon, 1. Teil: Neudruck der Ausgabe von 1936, 15. Aufl., Wilhelmshaven: Heinrichshofen’s Verlag, © 1971, S. 569 sowie Bernhard Stockmann, Artikel Schuster, Bernhard, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Band 12, Kassel: Bärenreiter, 1965, Sp. 328.

[43] Vgl. Karl Laux, [Artikel] Bekker, Paul, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1, Kassel: Bärenreiter, 1949, Sp. 1572–1575. Ferner Andreas Eichhorn, Paul Bekker. Facetten eines kritischen Geistes, Hildesheim: Olms, 2002, Reihe: Studien und Materialien zur Musikwissenschaft, Bd. 29; S. 663 und 804.

[44] Diese drei Dokumente, bei denen es sich um zwei mit Schreibmaschine ausgefertigte Abschriften (Schusters Brief an Kallenbach-Greller und deren Antwort) sowie ein Original (Schusters Begleitschreiben an Bekker vom 30. Januar 1925) handelt, befinden sich heute in der Irving S. Gilmore Music Library an der Yale University in New Haven, Conn. (USA), The Paul Bekker Collection, Signatur: MSS 50. Die drei Briefe wurden mir im Mai 2004 freundlicherweise von der besitzenden Bibliothek durch Jessica M. Lang in fotokopierter Form zugänglich gemacht.

[45] Der maschinenschriftliche Brief Schusters an Hába befindet sich im nicht inventarisierten Nachlass von Alois Hába am Tschechischen Museum der Musik Prag. (Freundlicher Hinweis von Dr. Vlasta Reittererová am 6. September 2007; auch Dr. Markéta Kabelková, der Leiterin der Musikhistorischen Abteilung am Prager Nationalmuseum, Tschechisches Museum für Musik ist in diesem Zusammenhang für ihre Vermittlung zu danken.)

[46] Vgl. Vlasta Reittererová (wie Anm. [1]), Teil 2, Příloha II, S. 13–14.

[47] Unter: TAGESCHRONIK | MITTEILUNG DER SCHRIFTLEITUNG, in: Die Musik. Monatsschrift, hg. von Bernhard Schuster, Erster Halbjahresband, XVII/6, Berlin und Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt in Stuttgart, Berlin und Leipzig, vereinigt mit Schuster und Loeffler, März 1925, S. 476–477. Schuster schrieb in seinem Begleitschreiben (vgl. Anm. [44]) an Bekker: „Mit Ihrer Notiz, die vollkommen das richtige trifft, bin ich einverstanden und werde sie an erster Stelle unter den Notizen der ,Tageschronik‘ im März-Heft [der Zeitschrift Die Musik] veröffentlichen.“ Ob die bibliografisch hier belegte Stelle wirklich Bekker als Autor hat, sei dahingestellt.

Etwas glaubwürdiger wäre Schusters Verhalten gewesen, hätte er irgendwo erwähnt, dass Frank Wohlfahrt (1894–1971) in der Februar-Ausgabe der Musik eine große und hymnische Besprechung desselben Bekkerschen Buchs veröffentlicht hatte, um das es hier ging (Frank Wohlfahrt, [im Abschnitt] Bücher [Rezension des Buchs von Paul Bekker, Von den Naturreichen des Klanges, Stuttgart, Berlin und Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt, vereinigt mit Schuster & Loeffler], in: Die Musik. Monatsschrift, hg. von Bernhard Schuster, 17. Jg., Nr. 5, Februar 1925, Seite 364–365). Darüber hinaus hatte Schuster in der Vergangenheit mehrfach mit Bekker kooperiert – sei es mit Bekker als Buch- oder als Zeitschriftenautor. Hätte man Kallenbach-Greller raten können, so wäre es der Rat gewesen, sich von einer Übersendung ihrer Arbeit an die Musik nicht das Geringste zu versprechen, da ihr Herausgeber und Bekker schon viele Jahre immer wieder zusammengearbeitet hatten. Nach Wohlfahrts Besprechung (siehe oben) war jede andere Meinung reine Makulatur.

[47a] Diese Datierung lässt sich bestätigen durch einen Hinweis auf die Broschüre unter Neuerscheinungen, in: Zeitschrift für Musik. Monatsschrift für eine geistige Erneuerung der deutschen Musik, Hauptschriftleiter: Alfred Heuß, 92. Jg., Heft 2, Leipzig: Steingräber, Februar 1925, S. 93 (Verkaufsstelle ist hier Breitkopf & Härtel).

[48] Der Brief ist abgedruckt bei Reittererová (wie Anm. [1]), Teil 2, Příloha III, Seite 14–15. – Else Thalheimer, geboren am 4. November 1898 in Köln, gestorben am 27. Mai 1987 in Tel Aviv; sie war israelitischen Bekenntnisses und emigrierte 1935. Über ihr Leben und ihre Arbeit vgl. die drei Webseiten des Verfassers (ab 25. August 2010 im Internet) Else Thalheimer. Ein Lebensweg von Köln nach Tel Aviv.

Thalheimer war Mitherausgeberin des wichtigen Quellenbuchs Von neuer Musik. Beiträge zur Erkenntnis der neuzeitlichen Tonkunst, hg. von H[einrich] Grues, E[igel] Kruttge und E[lse] Thalheimer, Köln am Rhein: F. J. Marcan Verlag, 1925, in dem auch der Aufsatz Grundlagen der Tondifferenzierung und der neuen Stilmöglichkeiten in der Musik von Alois Hába erschien (S. 53–58). Am Ende des Aufsatzes schreibt Hába in einer Fußnote (S. 58): „Die allgemeinen Ausführungen über die Bewußtheit des musikalischen Schaffens, über das bewußte Hören der Musik und über die Motivierungen der neuen Formbestrebungen basieren auf den wissenschaftlichen Abhandlungen von Frau Dr. phil. Karoline Kallenbach in Berlin.“ Kallenbach-Greller nimmt den Buchtitel Von neuer Musik auf S. 250 unter „Sammelwerke“ in die Literaturangaben ihrer Grundlagen der modernen Musik auf und zitiert auf S. 164 daraus den Aufsatz des Philosophen Ernst Bloch Über das mathematische und dialektische Wesen in der Musik (S. 5–16).

[49] Wie Anm. [1].

[49a] Vgl. Melos. Zeitschrift für Musik, Schriftleitung: Hans Mersmann, 5. Jg., Heft 6, Berlin, März 1926, S. 215, links unten.

[50] Lotte Kallenbach, Das musikalische Hören, in: Die Musik, 17. Jg. (1924/25), Nr. 4, Januar 1925, S. 271–278. In derselben Ausgabe wurden auch die Aufsätze Hauers Die Tropen und ihre Spannungen zum Dreiklang und Paul Bekkers Phänomenologie der Musik abgedruckt, so dass von diesem Heft der Zeitschrift mehrere Anregungen für Kallenbach-Greller ausgegangen sein könnten.

[51] Ebd., S. 275–276. Kursives wie im Original.

[52] Ebd., S. 243, Fußnote.

[53] Ebd., S. 276. Vgl. auch Anm. [90].

[54] Das Zitat, das mir dankenswerterweise Dr. Vlasta Reittererová im September 2007 mitteilte, befindet sich im Nachlass von Alois Hába am Tschechischen Museum der Musik Prag (siehe Anm. [45]). Veröffentlicht wurde der Text in dem in Anm. [1] genannten Aufsatz, Teil 2, S. 5, Fußnote 4. – Eine Anfrage bei der heute noch bestehenden Klavierbaufirma August Förster (vgl. die illustrierte Webseite hier mit wertvollen Informationen zum Vierteltonflügel) ergab, dass keine schriftlichen Unterlagen aus jener Zeit mehr vorhanden wären und der Name von Kallenbach-Greller unbekannt sei. (Freundliche Auskunft von Wolfgang Förster, Löbau, vom 11.9.2007.)

[55] Lotte Kallenbach-Greller, Klanggestaltungswerte in der neueren französischen Musik, in: Melos. Zeitschrift für Musik, Schriftleitung: Hans Mersmann, 5. Jg., Nr. 5/6, Januar/Februar 1926, S. 144–152.

[56] Zu Schönberg vgl. S. 148–149 und 152, zu Hauer S. 148 und 150.

[57] Vgl. den Artikel Musikwissenschaftlicher Kongreß in Leipzig [unsigniert], in: Prager Tagblatt, 50. Jg., Nr. 131, Prag, 5. Juni 1925, S. 5, Sp. [4].

[58] Eine Anfrage beim Sächsischen Staatsarchiv in Leipzig, in dem sich eine fragmentarische Überlieferung des Musikverlages C. F. Kahnt befindet, blieb ohne Ergebnis, da keine Geschäftskorrespondenz erhalten ist (Auskunft vom 30. April 2002, gezeichnet [Marion] Bähr).

[59] Lotte Kallenbach-Greller, Die Klangwerte der modernen Musik, in: Bericht über den I. Musikwissenschaftlichen Kongreß der Deutschen Musikgesellschaft in Leipzig vom 4. bis 8. Juni 1925, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1926, S. (297)–303; hier Seite (297). Eine Fußnote zu dem Aufsatz-Titel lautet: „Erscheint in Buchform als ,Klangwerte der modernen Musik mit einer allgemeinen Einleitung über Musik als Weltanschauung‘ im Verlag Kahnt, Leipzig.“ Ein Nachdruck des Kongressberichtes wurde 1990 veröffentlicht im Sändig Reprint Verlag (Vaduz, Liechtenstein; Titel Nr. 2093, ISBN 978-3-253-02093-3).

Alois Hába nennt Kallenbach-Grellers Schrift Klangwerte der modernen Musik zwar in seiner Neuen Harmonielehre (1927) auf S. 6 (Anm.), scheint aber davon auszugehen, dass es sich hier wirklich um ein im Kahnt-Verlag in Leipzig erschienenes Buch handelte. Er kann den „Kongressbericht“ nicht meinen, da dieser im Jahre 1926 in Leipzig, wie erwähnt, von Breitkopf & Härtel verlegt wurde; siehe dazu Anm. [59], erste Hälfte, und Anm. [69]. Auch heute ist jedoch kein Buch Kallenbach-Grellers dieses Titels nachweisbar.

[60] Lotte Kallenbach-Greller, Grundlagen der modernen Musik, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1930, S. 161–214. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch andere Teile des unveröffentlichten Buchs Klangwerte der modernen Musik in das veröffentlichte von 1930 aufgenommen wurden.

[61] Vgl. Alois Hába, Welche Aufgaben bietet die Vierteltonmusik der Musikwissenschaft?, in: Bericht über den I. Musikwissenschaftlichen Kongreß (wie Anmerkung [59]), S. 304–311.

[62] Vgl. Bernhard Kieslich, Kongreß für Musikwissenschaft der Deutschen Musikgesellschaft in Leipzig vom 4. bis 8. Juni 1925, in: Musik im Leben. Eine Zeitschrift der Volkserneuerung, hg. von E[dmund] Jos[eph] Müller, 2. Jg., H. 1, Mönchengladbach: Führer-Verlag, Januar 1926, S. 7–9.

[63] Lotte Kallenbach-Greller, Die historischen Grundlagen der Vierteltöne, in: Archiv für Musikwissenschaft, hg. von Max Seiffert, Johannes Wolf und Max Schneider, 8. Jg., H. 4, Stuttgart: Steiner, 1926, S. (473)–485. Reprint der Jahrgänge 1–8 (1918–1926): Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1964. Derselbe Aufsatz (überarbeitet) in: Beethoven-Zentenarfeier Wien, 26. bis 31. März 1927, veranstaltet von Bund und Stadt, unter dem Ehrenschutz des Herrn Bundespräsidenten Dr. Michael Hainisch, Internationaler Musikhistorischer Kongress; Wien: Universal-Edition (U.E. Nr. 9447), 1927, 404 S., hier auf Seite (359)–372. – Ein Inserat der letztgenannten Publikation ist zu finden in der Zeitschrift Melos, 7. Jg., Heft 6, Mainz, Juni 1928, S. 326, rechts unten.

Am 21. April 1927 machte Georg Schünemann (1884–1945), der lange Jahre in leitenden Funktionen an der Berliner Musikhochschule wirkte, Alois Hába auf Kallenbach-Grellers Aufsatz brieflich aufmerksam. Der Brief, der keine Ortsangabe trägt, befindet sich im Nachlass von Alois Hába: vgl. Anm. [45] (Hinweis: Dr. Vlasta Reittererová, Wien). Zu Schünemann vgl. Heike Elftmann, Georg Schünemann (1884–1945). Eine Situationsbeschreibung des Berliner Musiklebens, Diss. Potsdam 1996, zugleich Sinzig: Studiopunkt Verlag, 2001.

Hans Joachim Moser nennt Kallenbach-Grellers Arbeit in allen vier Auflagen seines Musiklexikons jeweils im Artikel Vierteltonmusik (1. Aufl. 1935, S. 902 f.; 2. Aufl. 1943, S. 991 f.; 3. Aufl. 1952, S. 1243 f.; 4. Aufl. S. 1352 f.). Ebenso erwähnt Alfred Einstein im Artikel Vierteltonmusik die Arbeit in der 11. Aufl. von Hugo Riemanns Musiklexikon (bearbeitet von Alfred Einstein, Berlin: Max Hesses Verlag, 1929, Band 2, S. 1939 f.) auf S. 1940.

[64] Vgl. hierzu den unsignierten Artikel Der musikhistorische Kongreß Wien 1927, in: Wiener Zeitung, Nr. 78, Wien, Sonntag, den 3. April 1927, S. 5, mittlere Sp. bis Seite 6, linke Sp. Vgl. ferner unter der Überschrift Die Beethoven-Zentenarfeier den Abschnitt Beginn des Musikhistorischen Kongresses, in: Reichspost. Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk, 34. Jg., Nr. 87, Wien, Dienstag, den 29. März 1927, S. 6, Sp. 3. An den folgenden Tagen wird die Berichterstattung in der Reichspost fortgesetzt, doch wird der Vortrag Kallenbach-Grellers nicht erwähnt. Das Ende des Kongresses war am 1. April 1927: vgl. Die Schlußsitzung des musikhistorischen Kongresses, in: Reichpost usw., 1. April 1927, Nr. 90, S. 7, Sp. [3].

[65] Der in Wien gebürtige und hier ansässige Erwin Felber (1885–1929) gehörte zu den Referenten der Wiener Tagung, wie sein Beitrag Die orientalischen Notationen und die Notenschriftreform im Kongressbericht Beethoven-Zentenarfeier Wien (wie Anm. [63]), S. 317 ff. zeigt. Vgl. den Artikel Felber, Erwin, in: E. H. Müller, Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden: Limpert, 1929, Sp. 315. Vgl. auch Erwin Felber, Die indische Musik der vedischen und der klassischen Zeit. Studie zur Geschichte der Rezitation; nach den Platten des Phonogramm-Archivs der kais. Akademie, Wien: Hölder, 1912, 189 S. – Zwischen 1924 und 1932 schrieb Felber zahlreiche Besprechungen in den Wiener Musikblättern des Anbruch. Sein Name erscheint auch in folgender Publikation: Hermann Ullrich (Hg.), Zweihundert Jahre österreichischer Musik. Briefe, Essays und Erinnerungen. Mit Notenbeispielen. London: Free Austrian Movement 1945, Reihe: Kulturelle Schriftenreihe des Free Austrian Movement, Februar 1945. Nr. 7 (enthält u. a. Beiträge von Paul Bekker, Roland Tenschert, Karl Geiringer, Karl Kobald, Erwin Felber und Hans Ferdinand Redlich). Vgl. auch Annkatrin Dahm, Der Topos der Juden. Studien zur Geschichte des Antisemitismus im deutschsprachigen Musikschrifttum, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007 (Reihe: Jüdische Religion, Geschichte und Kultur, Bd. 7), passim.

[66] Erwin Felber, Musikwissenschaft beim Beethoven-Fest (Tagung des Internationalen musikwissenschaftlichen Kongresses in Wien [26. bis 31. März 1927]), in: Musikblatter des Anbruch. Monatsschrift für moderne Musik, hg. von Paul Stefan, 9. Jg., Nr. 4, Wien: Universal Edition, April 1927, S. 181–182; hier zu Lotte Kallenbach S. 181, rechte Spalte. – Vgl. zur Thematik der Vierteltönigkeit auch Walther Vetter, [Artikel] Aristoxenos, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Band 1, Kassel: Bärenreiter, © 1949, Sp. 646–653; hier Sp. 650 zu den Theorien Kallenbach-Grellers.

[67] Vgl. Anm. [63].

[68] Walter Trienes (Auswahl und Erläuterung), Musik in Gefahr. Selbstzeugnisse aus der Verfallszeit, Regensburg: Gustav Bosse Verlag, Copyright 1940, Reihe: Von deutscher Musik, Bd. 53/54, S. 50, Fußnote 38 im Kapitel Spaltung der Töne (S. 48–55). Zu Trienes (geb. 1901 in Krefeld, Todesdatum unbekannt [nach 1968]) vgl. Kürschners Deutscher Musiker-Kalender 1954, hg. von Hedwig und E[rich] H[ermann] Mueller von Asow, Berlin 1954, Sp. 1369. Das Buch von Trienes müsste spätestens im Mai 1940 veröffentlicht worden sein, da es an folgendem Ort genannt wird: Hofmeisters Musikalisch-literarischer Monatsbericht, 112. Jg., Nr. 5, Leipzig: Friedrich Hofmeister, Mai 1940, S. 88, rechte Spalte.

[69] Der Brief befindet sich im Nachlass von Alois Hába, vgl. Anm. [45]. (Hinweis: Dr. Vlasta Reittererová, Wien). Das zur Rezension anstehende Buch war sicherlich: „NEUE | HARMONIELEHRE | DES DIATONISCHEN, CHROMATISCHEN | VIERTEL-, DRITTEL-, SECHSTEL- | UND ZWÖLFTEL-TONSYSTEMS | VON | ALOIS HÁBA | AUS DEM TSCHECHISCHEN ÜBERTRAGEN | VOM AUTOR | REVISION VON DR. ERICH STEINHARD | [Verlags-Vignette] FR. KISTNER & C. F. SIEGEL | Leipzig 1927“, XVIII + 251 gezählte Seiten. – In diesem Buch wird Kallenbach-Greller mehrfach genannt; siehe S. XI, S. 3–4, S. 5–6, S. 129, S. 162 (alle Verweise in den Anmerkungen des Buchs). – Ein Faksimile-Reprint dieser Ausgabe erschien 2001 in der Musikedition Nymphenburg (ISBN 3-929642-04-0).

Hábas Buch wurde in Hofmeisters musikalisch-literarische[m] Monatsbericht, 99. Jg., Nr. 2, Leipzig: Verlag von Friedrich Hofmeister, Februar 1927, S. 46, linke Spalte, hier (Bibliografie) aufgenommen.

[70] Zu Mersmann vgl. Thomas-M. Langner, [Artikel] Mersmann, Hans, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 9, Kassel: Bärenreiter 1961, Spalte 134–136; ders. [Ergänzung], ebd., Bd. 16 (1976), Sp. 1268–1269.

[71] Möglicherweise bei dem hier stattfindenden Festival Deutsche Kammermusik Baden-Baden (15.–17. Juli 1927), das die 1921 gegründeten Donaueschinger Musiktage fortsetzte. Eine frühere Begegnung zwischen Mersmann und Kallenbach-Greller könnte Ende März 1927 in Wien stattgefunden haben, da Mersmann zu den Referenten der Musikhistorischen Tagung gehörte und sein Referat Beethovens zyklisches Formprinzip im Kongressbericht Beethoven-Zentenarfeier Wien  (wie Anm. [63], S. 52 ff.) abgedruckt wurde.

[72] Eine Fotokopie des Briefes erhielt ich im Januar 2002 aus dem Verlagsarchiv von Breitkopf & Härtel in Wiesbaden durch freundliche Vermittlung von Dr. Andreas Sopart.

[73] Vgl. Lotte Kallenbach-Greller, Die Formprobleme der Vokalmusik im Rahmen einer allgemeinen Denkanschauung über das Entstehen von Musikformen, in: Melos. Zeitschrift für Musik, Schriftleitung: Hans Mersmann, 6. Jg., Heft 11, Mainz: Schott’s Söhne, November 1927, S. 467–473.

[74] Die zwei Briefe vom 14. bzw. 22. Dezember 1927 befinden sich im Hesse- Archiv in Bern (SLA [Link veraltet, 17.2.2019]) und wurden mir dankenswerterweise von Lukas Dettwiler und Renate Kunz im August 2009 (Schweizerisches Literaturarchiv, Schweizerische Nationalbibliothek, Bern) zugänglich gemacht.

[74a] Der Lyceum-Club (e. V.) besteht noch heute auf internationaler Ebene; in Deutschland unter anderem in Berlin. Die Webseite des Verbandes der internationalen Lyceum-Clubs in Deutschland (http://www.lyceum-club.de/) zitiert aus Artikel 1 der Statuten: „Die Internationale Vereinigung der Lyceum-Clubs ist ein Zusammenschluss von Frauen aller Nationen, die sich den Künsten, den Wissenschaften, dem öffentlichen Wohl widmen und sich sozial engagieren. Durch ihren persönlichen Einsatz werden gute Beziehungen und Freundschaften aufgebaut und vertieft.“ Über die Geschichte des Zusammenschlusses vgl. auf der letztgenannten Webseite den Abschnitt „Geschichte“ oder hier (Berlin). Der Name „Lyceum-Club“ bezieht sich nicht auf eine früher bestehende Schuleinrichtung, sondern leitet sich direkt aus dem Griechischen (lykeion) ab. Weitere Informationen enthält der Band LYCEUM CLUB, hg. von der Association Internationale des Lyceum Clubs, © 1986, 192 S.

Ein datierter Schreibmaschinen-Durchschlag des Vortrags (17 Blatt) befindet sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Freundliche Auskunft von Dipl.-Bibliothekarin Sabine Brtnik, DLA, am 7. März 2002. Der Vortrag ist nicht in einem Online-Katalog erfasst, sondern nur im konventionellen Zettelkatalog und im Katalog „Manuskripte Anderer“ (Depositum Hermann Hesse, D:Hesse-Archiv). Freundliche Mitteilung von Dipl.-Bibliothekarin Birgit Kienow, DLA, am 28. Juli 2009. Möglicherweise handelt es sich in Marbach um eben jenen „Durchschlag“ des Vortrags, den Kallenbach in ihrem Brief vom 22. Dezember 1927 erwähnte und den sie Hesse schicken wollte. Diesen Durchschlag bezeichnet sie freilich nur als „Gerippe“, da in ihm die Zwischenbemerkungen und der sich an den Vortrag schließende mündliche Teil fehlten.

[74b] Dr. phil. Hanns Martin Elster (1886–1983) wohnte nur wenige Minuten zu Fuß von Lotte Kallenbach entfernt, nämlich in Berlin-Grunewald, Hubertusallee 27; vgl. Berliner Adreßbuch 1927, Teil 1, S. 661, Sp. [3], 5. Eintrag von unten (Startseite). – Elsters Verbindung zu Hermann Hesse geht hervor aus dem Buch Die deutsche Novelle der Gegenwart, mit einem Nachwort hg. von Hanns Martin Elster, Berlin: Deutsche Buch-Gemeinschaft, o. J. (download im Internet); hier auf Seite 100–130 die Novelle Im Presselschen Gartenhaus über Eduard Möricke und Wilhelm Waiblinger von Hermann Hesse. Der als download erhältliche Band trägt die handschriftliche Datierung 1924; verschiedene Bibliothekskataloge datieren den Band auf 1925 oder ein bis zwei Jahre später. Bereits 1920 war jedoch dieselbe Novelle als Einzeldruck in der von Elster hg. Reihe Deutsche Dichterhandschriften, Bd. 6, erschienen (Dresden: Lehmannsche Verlagsbuchhandlung, 1920). Elster schrieb auch ein Geleitwort zu Hesses Roman Gertrud (Berlin: Deutsche Buchgemeinschaft, [ca. 1927]).

[75] Kallenbach schreibt zunächst „Piscators Verwandlungen“, korrigiert sich aber an späterer Stelle ihres Briefes. Die Rede ist hier von Hermann Hesses eigenhändig geschriebenem und auch individuell farbig illustriertem Buch seines Märchens Piktor’s Verwandlungen, das für 200 Mark nur von Hesse direkt aus Montagnola zu beziehen war. Vgl. die Reproduktion des Buchs mit einem Nachwort von Volker Michels als Insel-Taschenbuch (it 122), erste Auflage: Frankfurt am Main 1975 (auf S. 86 auch ein Prospekt, den Hesse eigens für seine beiden Bildermanuskripte anfertigen ließ). Das Buch entstand 1922 und erschien erstmals 1925 mit Leerseiten für die Bebilderung durch den Autor (vgl. Michels’ Nachwort, S. 89).

 

 

Fortsetzung (Teil 2)

 

 

 

Erste Eingabe ins Internet:  Sonntag,  28. Mai 2006
Letzte Änderung:  Sonntag, 17. Februar 2019

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