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Heinz Fischer (1903–1942)
Ein jüdischer Pianist in Berlin
Teil 2
mit einem Nachwort von Barbara Schieb
von
Herbert Henck
Inhalt
Teil 1
Kapitel 1 Einleitung
Kapitel 2 Herkunft
Kapitel 3 Konzerte
Das Konzert am 15. November 1929
Anmerkungen zu Teil 1 Teil 2
Kapitel 4 Zwangsnamen, Zwangsarbeit und „Vermögenserklärungen“
Kapitel 5 Deportation und Tod
Kapitel 6 Weitere Einzelheiten
Arbeit beim Rundfunk
Die britische Freundin
Nachträge 2015 und 2016
Einleitung zu den Nachträgen
Studium und Repertoire Fischers (1921–1926)
Weitere vier Berliner Konzerte (1928–1932)
Eine Konzertbesprechung durch Fischer (1922)
Ilse Rewalds Text über Heinz Fischer (1995)
Nachwort von Barbara Schieb (GDW, Januar 2016)
Anmerkungen zu Teil 2
Chronologie Heinz Fischer
Dank
Ausführlichere Informationen über die nächste Verwandtschaft von Heinz Fischer:
Vater: Dr. med. Julius Fischer
* 20. August 1864 in Johannisburg (Ostpreußen), † 18. Juli 1927 in Berlin (durch Selbstmord), Praktischer Arzt und Sanitätsrat
Mutter: Frida [seltener: Frieda] Fischer, geb. Fränkel
* 22. Februar 1877 in Nürnberg, † am oder kurz nach dem 4. Mai 1942 im Vernichtungslager Kulmhof, siehe auch Anm. [23] sowie [56], Abs. 2; passim
Schwester: Lotti Fischer * 19. April 1901 in Berlin-Pankow, † am oder kurz nach dem 4. Mai 1942
im Vernichtungslager Kulmhof, siehe auch Anm. [56], Abs. 2; passim
Folgende Personen sind ferner eingehender erwähnt (alph.):
Johann Pacholeck, Taxator des Wohnungsinventars nach der Deportation der Fischers, siehe Anm. [51] Alfred Sammtleben, Verwalter des Hauses nach der Deportation der Fischers, siehe Anm. [59], Abs. 2 und 3
Walther Schliepe, Kaufmann, mit Frau und Tochter Rotraud, Mieter der Fischers seit 1934; siehe Anm. [53]
Kapitel 4 Zwangsnamen, Zwangsarbeit und „Vermögenserklärungen“
Im Berliner Adreßbuch 1930 stand Heinz Fischers Name neben dem seiner Mutter und dem seiner Schwester, wobei es hieß: „Fischer, H[einz], Dipl.Musik [sic], T[elefonanschluss].“ [44] Bei der letzten Erwähnung im Jahre 1941 wurde der Name von „H[einz] Israel Fischer“ neben dem seiner Mutter „F[rida] Sara Fischer“
und dem seiner Schwester „L[otti] Sara Fischer“ als Eigentümer des Hauses (vorangestelltes „E“) genannt; als sein Beruf war „Pianist“ angegeben. Alle drei Personen der Familie trugen jetzt
auch die durch ein nationalsozialistisches Gesetz vom 17. August 1938 verordneten zusätzlichen Vornamen „Sara“ bzw. „Israel“ als Zeichen ihrer jüdischer Abstammung. [45] Im Berliner Adreßbuch 1941 (Einwohner) war zugleich zu lesen: „Fischer, Heinz Israel Pianist Pankow Breite Straße Nr. 8. 9 E[igentümer des Hauses] T[elefonanschluss]“. [46]
Am 22. September 2011 erhielt ich aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam die drei fotokopierten handschriftlich ausgefüllten Vordrucke
der „Vermögenserklärungen“ von Frida, Lotti und Heinz Fischer. [47] Diese jeweils achtseitigen an den Oberfinanzpräsidenten von
Berlin-Brandenburg gerichteten Dokumente, die am 15. Oktober 1941 von Frida Fischer und am 17. Oktober 1941 jeweils von Lotti und von Heinz Fischer unterzeichnet wurden, hielten nicht nur, bis
in Einzelheiten hinein, das Sach- und Geldvermögen einschließlich der finanziellen Verpflichtungen der Betroffenen als Darlehensgeber oder Schuldner fest, sondern gaben auch eine Reihe von persönlichen Daten
an, etwa Geburtstag, Familienstand, Adresse, Kennkartennummer und zuständiges Polizeirevier. Auch in diesem Fall bewahrheitete sich die Befürchtung zahlreicher Juden, dass „Vermögenserklärungen“ und
Deportationen unmittelbar aufeinander erfolgten, denn beide lagen hier nur maximal 7 bis 9 Tage auseinander, wie das nächste Kapitel zeigt. Nicht zuletzt geht aus diesen Dokumenten auch die Zwangsarbeit
hervor, welche durch die Angabe „Letzte Beschäftigung (Firma, Gehalt, Lohn)“, den namentlich mit Adresse genannten Arbeitgeber und die genau bezifferte Entlohnung erschließbar wird.
Lotti Fischer gab auf S. (1) ihrer „Vermögenserklärung“ an, dass ihr Beruf „Arbeiterin“ sei und sie bei „Siemens & Halske,
Jungfernheide“ [48] für einen Lohn von „c[ir]c[a] 25,– Reichsmark pro Woche“ beschäftigt wurde. Heinz Fischer schrieb in seiner „Vermögenserklärung“, dass sein Beruf „Hilfsarbeiter im Malereigeschäft“ war, wobei er „Otto Lebrecht, Berlin, Ostende[r] Str. 27a“ in Wedding als Arbeitgeber nannte. Seinen Lohn bezifferte er auf „c[i]r[ca]: 30 M[ark] ([pro] Woche)“. Die Berufsbezeichnung „Konzertpianist“ ist vielfach durchgestrichen, bleibt insgesamt jedoch lesbar. [49] Darüber hinaus wurde Heinz Fischer auch bei der Kartoffelernte eingesetzt, wie aus dem Bericht von Ilse Rewald bei Inge Lammel hervorgeht. [50]
Bei der Kartoffelernte im Herbst 1939 in Müncheberg bei Berlin (Foto: Ilse Rewald)
Heinz Fischer (zweite Reihe, stehend, als Einziger ohne Mütze, Mitte) Werner Rewald (erste Reihe, sitzend, ganz links außen, Tabakspfeife im Mund)
„Privat-Archiv Inge Lammel, Berlin-Pankow“, erhalten von Herrn Gerhard Hochhuth, Berlin, im August 2015; heute: GDW (Gedenkstätte Deutscher Widerstand),
Nachlass Ilse Rewald, Berlin. Mit freundlicher Genehmigung. [50a]
In seiner „Vermögenserklärung“ verzeichnete Heinz Fischer zu seiner musikalischen
Tätigkeit auf S. 3 unter „Verschiedenes“ eine Sammlung von „Musiknoten (große Anzahl,
da Berufsmusiker[)]“. Auf derselben Seite steht zu Beginn „1 Violine“. Ein „Taxator“ [51] schätzte über drei Monate nach der Deportation in einem masch. ausgefüllten und
handschriftlich signierten Vordruck am 3. Februar 1942 die folgenden Gegenstände, von denen hier nur die musikbezogenen genannt seien: 1 Flügel, Fabrik-Marke Bechstein Nr.
50906: 1000 RM [Reichsmark], eine Geige: 50 RM, 1 Gitarre: 8 RM und 1 Notenschrank: 1,50 RM. Hinter dem Vordruck „1 Posten Bücher“ steht ergänzend
„u[nd] Noten“ sowie der Vermerk: „nicht geschätzt“. Diese Seite, die nicht zu den eigentlichen „Vermögenserklärungen“ gehört, wurde mir von der besitzenden Institution
zusätzlich kopiert, da ich mein Interesse an hinterlassenen Noten bekundet hatte. Vermutlich gehören auch „1 Frack“ sowie „1 Smoking“ zu den Kleidungsstücken, die bei
Konzerten manchmal zu tragen waren (vgl. Heinz Fischers „Vermögenserklärung“, S. 4 unter „Herrenkleidung“).
Einige musikbezogene Gegenstände stehen auch in der „Vermögenserklärung“ von Frida
Fischer, wobei es sich aber zum Teil um Verdopplungen von Angaben ihres Sohnes Heinz Fischer handeln könnte: 1 Notenschrank, Geige, Flügel, Flügel-Lampe, Noten. All
dieses blieb ohne weitere Spezifizierung, und allein der oben genannte Bechstein-Flügel, der infolge seines materiellen Werts herausragt, wurde durch seine Fabrikations-Nummer eingehender beschrieben.
Dass in Frida Fischers „Vermögenserklärung“ die „Deutsche Bank, Depositenkasse
H 3“ angesprochen ist (S. 5), hängt damit zusammen, dass diese Zweigstelle (so die heutige Bezeichnung) im Hause der Fischers ansässig war – was aus den Einträgen der
Berliner Adressbücher unter der Straßenbezeichnung „Breite Str. 8.9“ in Pankow hervorgeht [52] –, und die Fischers Kunden dieser Einrichtung waren. In dem Haus der
Fischers waren 1941, einschließlich der Fischers selbst, etwa dreizehn Parteien bzw. Firmen ansässig, was auch eine gewisse Vorstellung von der Größe des Hauses erlaubt.
Ein Foto des Wohnhauses mit drei Stockwerken über dem Erdgeschoss sowie zusätzlichem Wohnraum in der Mansarde befindet sich in dem 2007 erschienenen Buch Jüdische Lebenswege von Inge Lammel. [53]
Kapitel 5 Deportation und Tod
Gleich seiner Mutter Frida und seiner Schwester Lotti wurde Heinz Fischer aus seiner
Wohnung am 23. Oktober 1941 abgeholt (I. Lammel: „eine der ersten jüdischen Familien in Pankow“ [54]) und am Tag darauf, also am 24. Oktober 1941, [55] mit der Reichsbahn aus Berlin in das Ghetto nach Litzmannstadt deportiert. [55a] Am 4. Mai
1942 wurden alle drei in das etwa 70 km nordwestlich von Łódź [„Litzmannstadt“ von 1940 bis zum Ende der deutschen Besatzung] gelegene sogenannte Vernichtungslager (siehe hier; auch „Todeslager“ genannt) Kulmhof (siehe hier; heute „Chełmno nad
Nerem“ [Chełmno an dem Ner (Fluss)] bei der Stadt Dąbie [1940–45: „Eichstädt“] in Polen) verbracht. [56] Da es hier im Unterschied zu den sechs anderen nationalsozialistischen „Vernichtungslagern“, die alle im heutigen Polen lagen, keine
„Gaskammer“ gab, wurden Abertausende von Juden in einem der vorhandenen „Gaswagen“ durch die Abgase von Benzin-Motoren umgebracht. Von den Fischers
fehlen nach ihrem Transport nach Kulmhof jegliche weiteren Spuren und Lebenszeugnisse. Daher ist davon auszugehen, dass auch sie ermordet und somit Opfer der Judenverfolgung wurden. [57]
Als Eigentümer des Hauses, das im Berliner Adreßbuch nach dem Tode des Vaters
auf die drei verbliebenen Mitglieder der Familie übergegangen war, [58] verzeichnete dasselbe Adreßbuch in den letzten zwei Kriegsausgaben von 1942 und 1943, also in den
beiden Folgejahren der Deportation, unter der „Breiten Straße 8.9“ in Pankow jeweils den Eintrag „E[igentümer] ungenannt“ anstelle der deportierten Mitglieder der Familie Fischer. [59]
Kapitel 6 Weitere Einzelheiten
Im Hinblick auf das Leben von Heinz Fischer muss ich mich bei zwei Themen hauptsächlich auf das stützen, was Inge Lammel und Sabine Rebschläger schrieben.
Zwar kann ich so gut wie nichts Eigenes dazu sagen, doch die Tatsachen als solche seien nicht nur der Vollständigkeit halber hier eingebracht, zumal einige Ansätze der Forschung
in ihnen erkennbar sind, die künftig weiterführen könnten.
Arbeit beim Rundfunk
Über seine Arbeit beim Rundfunk überliefert Inge Lammel unmittelbar im Anschluss an
die Geburtsdaten von Heinz Fischer: „Er studierte Musik und soll beim Rundfunk in der Masurenallee tätig gewesen sein. Nähere Informationen über sein Leben in den
zwanziger Jahren konnten nicht ermittelt werden.“ [60] Bei Sabine Rebschläger ist ebenfalls ein Vorbehalt über die Richtigkeit dieser Rundfunkarbeit erkennbar, doch
während bei Lammel die Arbeit am Rundfunk insgesamt in Frage steht, ist bei Rebschläger nur der Zeitpunkt, bis zu dem Fischer diese Rundfunkarbeit fortführte,
fraglich, wenn sie schreibt: „Beim Rundfunk in der Masurenallee soll er noch bis 1934 gearbeitet haben.“ [61]
Die britische Freundin
Heinz Fischer hatte in England eine Freundin, die ihn alljährlich besuchte. Da ihr Name in der ausgewerteten Literatur nirgends in Erscheinung trat, waren weitere Nachforschungen
zwar möglich, blieben aber wohl nicht zuletzt auf Grund dieser Anonymität stets erfolglos. Man kann sich indes leicht vorstellen, dass sich im Nachlass dieser Freundin unter
anderem Briefe oder Fotos von Heinz Fischer befinden. [62] Unschwer lässt sich mit
dieser britischen Freundin jedenfalls auch Heinz Fischers Wunsch in Verbindung bringen, gerade nach England auszuwandern. Zu diesem Zweck soll Frida Fischer ihrem Sohn
Heinz 7.000 Reichsmark geliehen haben, doch kam die Hilfe zu spät, und das Geld wurde vom Oberfinanzministerium beschlagnahmt. [63] In den „Vermögenserklärungen“
von Frida, Lotti und Heinz Fischer erscheint die Summe von 7.000 RM (Reichsmark) neben einem Betrag von 2.200 RM zwar mehrfach als Darlehen, doch ist aus diesen
Dokumenten weder ersichtlich, für welchen Zweck Heinz Fischer das Geld bestimmt hatte, noch geht daraus der Umstand hervor, ob er das Darlehen bei seiner Mutter oder
seiner Schwester aufnahm. Wahrscheinlich fällt Heinz Fischers Absicht, nach England zu emigrieren, in die Zeit nach 1934, doch vermute ich, dass dieser Plan erst Anfang der
vierziger Jahre und nicht lange vor der Deportation (21. Oktober 1941) reifte.
Nachträge 2015 und 2016
Einleitung zu den Nachträgen
Der Versuch überforderte mich, mit den im Herbst 2015 erhaltenen Nachträgen eine
einheitlich lesbare Darstellung von Heinz Fischers Leben aus dem Vorhandenen herzustellen. Dies lag vor allem an meiner Beschränktheit sowie am Umfang und der
Ungleichartigkeit der Nachträge, für die ich dem Ehepaar Gerhard und Mili Hochhuth, Berlin-Niederschönhausen, gleichwohl sehr herzlich danken möchte. Manche Lücke
in meinem früheren Text ließ sich nun erst schließen, und so schwierig sich die Einarbeitung auch gestaltete – die Ergänzungen waren mir mehr als willkommen, denn sie
vervollständigten meine Kenntnisse in mancherlei Hinsicht, so wie ich es mir gewünscht hatte. Das Ehepaar Hochhuth ist besonders in Berlin-Pankow für die geschichtliche Vorbereitung des Anlegens von „Stolpersteinen“ neben dem Gründer, dem in Berlin 1947 geborenen Aktionskünstler Gunter Demnig, mittätig geworden, wodurch in diesem
Fall in Pankow die Erinnerung an die drei Getöteten (Frida, Lotti und Heinz Fischer) gepflegt wird. Die Einrichtung der „Stolpersteine“ für sie erfolgte am Samstag, dem 26. September 2015.
Die Nachträge, zu denen es weder ein Findbuch noch Aktenzeichen gab, stammen zum
einen Teil aus Frau Dr. Inge Lammels Privat-Archiv, das Herr Hochhuth zu Lebzeiten von Frau Lammel noch einsehen und zum Teil auswerten konnte. Ergänzendes, aber
gleichfalls Wichtiges kam zum anderen aus dem Berliner Archiv der „Akademie der Künste“, der heutigen „Universität der Künste“, besonders durch die Vermittlung
von Frau Dipl.-Archivarin Antje Kalcher, der für ihre Freundlichkeit auch vielmals gedankt sei. [63a]
Inhaltlich beziehen sich die Nachträge zum überwiegenden Teil auf die pianistische
Ausbildung Heinz Fischers an der „Staatlichen akademischen Hochschule für Musik in Berlin“ zu Charlottenburg (Fasanenstraße 1 B), wo Fischer Klavierunterricht genommen
hatte. Außerdem waren mehrere Listen zu finden, welche Fischers Repertoire insgesamt noch besser erkennen ließen, sowie zahlreiche Dokumente, die seine Reifeprüfung und
verschiedene Pflichtfächer betrafen. Eine kurze, aber als ehrenrührig empfundene Konzertbesprechung Fischers in einer Berlin-Pankower Tageszeitung kam in seinem
ersten Studienjahr hinzu (1922). Sonstige Artikel Fischers in der Presse sind mir aber nicht bekannt geworden. Auch zwei Fotografien (beide um 1939 aufgenommen), auf
denen Fischer zu sehen ist, sowie ein Text von Ilse Rewald aus dem Jahre 1995 über ihre Begegnung mit Heinz Fischer kurz vor seiner Deportation sind zu erwähnen (letzterer Text hier).
Die chronologische Folge ist in dem Nachtrag, wenn möglich, eingehalten, so dass die
Zuordnung zu dem bereits Vorhandenen nicht allzu schwerfallen dürfte und dem Leser selbst auf die Gefahr hin zuzumuten ist, dass manches darin zu wiederholter Lektüre
führen könnte. Hyperlinks mit der Bezeichnung „Nachtrag“ verweisen in dem Haupttext oder seinen Anmerkungen jedoch darauf, dass ein Nachtrag vorhanden ist, den man
einzubeziehen hat, will man ein vollständigeres Bild bekommen.
Daran schließt sich ein Nachtrag über weitere Berliner Konzerte Heinz Fischers an, den
ich im Mai 2016 vornehmen konnte. Da dieser Abschnitt nach einem Asterisk eine eigene Einleitung hat, ist hier Ferneres entbehrlich.
Studium und Repertoire Fischers (1921–1926)
Fischer studierte von Oktober 1921 bis Juli 1926 an der Staatlichen akademischen
Hochschule für Musik in Berlin zu Charlottenburg, wobei er als Hauptfach Klavierunterricht bei dem Pianisten Leonid (Davidowitsch) Kreutzer (1884–1953) nahm [64]. Die Hochschule, an zentraler Stelle gelegen, stand damals unter Leitung von Franz
Schreker (1878–1934), Stellvertretender Leiter war Georg Schünemann (1884–1945). Sein „Zeugnis der Reife“ legte Heinz Fischer am Mittwoch, dem 21. Juli 1926 ab, [65] daneben wurde er, wie üblich, auch in Musiktheorie und Musikgeschichte, Instrumentenkunde und Gehörbildung, Kontrapunkt, Formenlehre etc. geprüft. Die
häufigere Benotung von Fischers Leistungen mit dem Prädikat „genügend“ beruhte auf einer längeren preußischen Tradition, die heute aber durch eine Zensur wie „3
(befriedigend)“ zu ersetzen wäre, und angesichts seines sehr virtuosen Repertoires ist die Bemerkung von Peter Gradenwitz über Fischers Klavierspiel vielleicht doch nicht so
unangebracht, wie es mir schien (siehe hier in Teil 1: Anm. [26]).
Aus dem Jahresbericht der Hochschule für den Zeitraum vom 1. Oktober 1921 bis zum
30. September 1924 [ff.] gingen an Aufführungen hervor (chronologisch): In dem Vortragsabend am 17. Juli 1922 spielte Fischer Mussorgskijs Bilder einer Ausstellung;
am 1. Juni 1923 Brahmsۥ Klaviersonate in F-Moll, op. 5; am 29. Februar 1924 Robert Schumanns Phantasie, op. 17; am 5. Juli 1924 Chopins Polonaise in Fis-Moll, op. 44;
am 26. November 1924 [66] Beethovens Sonate op. 2, Nr. 3. Am 19. Juni 1925 führte
er als Solist Wolfgang Jacobis Sonate op. 22 und im selben Konzert als Klavierduo
(zusammen mit dem französischen Pianisten Dorel Handman) Paul Juons Tondichtung Jotunheimen auf. Am 8. Juli 1925 spielte er mit der Geigerin Gertrud Flügel Paul Kletzkis „Sonate“ für Klavier und Violine op. 12. Alle diese Beweise seiner
fortschreitenden künstlerischen Entwicklung erbrachte Heinz Fischer im Theatersaal der Berliner Hochschule für Musik im Rahmen von Vortragsabenden.
Das große und durchaus schwere Repertoire, das sich Fischer aneignete, beweist auch sein Gesuch um Zulassung zur Reifeprüfung im S[ommer]-S[emester] 1926 (alles
handschriftlich). An Prüfungsstücken nennt er hierbei: [J. S.] Bach 4 Präludien u. Fugen. [Mit Bleistift von anderer Hand:] Fis-Dur [Band] I; D-Dur [Band] II; F-moll [Band] II;
a-moll [Band] II. [in Fischers Handschrift weiter:] Mozart Rondo a-moll; Beethoven op. 53 + 101; Chopin Ballade F-Dur; Scriabin W[hite Mass (?)] Sonate op. 70; Ravel
Jeu dۥeau; Brahms Konzert B-Dur; selbstständig gearbeitet: Liszt, Sonate h-moll; (Bilddatei: Reifeprüfung 02.jpg; „Privat-Archiv Inge Lammel Berlin-Pankow“).
Ein an Heinz Fischer gerichtetes Dokument, das auf den 2. Juli 1926 datiert ist, besagte:
„Für die Reifeprüfung sind l[au]t Prüfungsordnung bestimmt: Präludium von Rachmaninow. op. 23, Nr. 6.“
Das Programm von Fischers Reifeprüfung sah folgendermaßen aus: „Konzert | von Heinz Fischer
(Klavier) | anläßlich seiner Reifeprüfung an der Hochschule für Musik | am 15. Juni 1927 im Theatersaal | 1. J. S. Bach, Partita E-moll | 2. L. v. Beethoven,
Sonate C-dur (Waldstein) Op. 53 | 3. Wolfgang Jacobi, Tanzsuite, Op. 28 (Uraufführung) | 4. F. Liszt, Réminescences de Don Juan.“
Wie man sieht, lernte Fischer in seinem Studium schnell, vor allem die Musik der
Epochen von Johann Sebastian Bach bis hin zu den impressionistischen Meistern im Frankreich des zwanzigsten Jahrhunderts. Im Zentrum standen aber zweifellos das
europäische neunzehnte Jahrhundert und Klavierkonzerte mit großer Besetzung des Orchesters. – Zeitgenössische Werke kamen in seinen Aufführungen nur gelegentlich vor
und stellten durchaus nicht einen Schwerpunkt seines Konzertierens dar. Als „Uraufführung“ ließ sich allein Jacobis Tanzsuite in seiner Reifeprüfung verzeichnen. Eine
Verbindung zu Norbert von Hannenheim, der erst im Frühjahr 1929 nach Berlin kam, wurde nirgends erwähnt.
Weitere vier Berliner Konzerte (1928–1932)
Im Mai 2016 erweiterte sich das Spektrum von Heinz Fischers Repertoire insofern, als ich den Führer durch die Konzertsäle Berlins, dessen Erscheinen die Lebenszeit
Fischers begleitete, auswerten konnte. Diese für die Erforschung der Musikgeschichte Berlins sicher hochrangige Quelle wurde von Gotthard Schierse (1880–1970) betreut
und war von dem in Berlin ansässigen „Staatlichen Institut für Musikforschung – Preußischer Kulturbesitz“ ins Internet eingegeben worden, wobei eine Suche hier kostenlos möglich wurde. Die Jahrgänge der Zeitschrift sind hier erfasst (1920 gegründet, 71 Jge.). Dabei kamen hinsichtlich des Pianisten Heinz Fischer vier mir nicht bekannte
Berliner Konzerte in den Jahren 1928 bis 1932 zum Vorschein, die an vorliegender Stelle in chronologischer Folge einbezogen wurden. Es handelte sich im Einzelnen um (die
Abkürzungen wurden nach Möglichkeit aufgelöst):
1.) Sonnabend, 24. März 1928, abends 8 Uhr, Meistersaal (Köthener Str. 38), Werke
von Paul Hindemith unter gütiger Mitwirkung von Prof. Hindemith, Verein ehemal. Hochschüler d. Staatlich akad. Hochschule für Musik in Berlin, Mitwirkende: Maria Toll
(Sopran), Prof. Hindemith (Bratsche), F. W. Müller (Oboe), Heinz Fischer (Klavier), Kammermusikvereinigung des Vereins ehemaliger Hochschüler: Alfred Krips, Hugo
Karweg, H. H. Scholz, Richard Klemm. – Siehe in: Führer durch die Konzertsäle Berlins, Konzertplan vom 19. März bis 1. April 1928, 8. Jg., Nr. 25, S. 3.
2.) Donnerstag, 6. März 1930, 8 Uhr, Singakademie (Festungsgraben 2), Klavier-
Abend. Programm: Bach-Busoni / Schubert / Gluck-Saint-Saëns / Wolfgang Jacobi / Strauß-Godowsky – Siehe in: Führer durch die Konzertsäle Berlins, Konzertplan vom
3. bis 16. März 1930, 10. Jg., Nr. 22, S. 2.
3.) Mittwoch, 18. März 1931, 8 Uhr, Singakademie (Festungsgraben 2), Klavier-
Abend. Programm: Bach / Schumann (Kreisleriana) / Chopin (Sonate h-moll) / Reihe kleiner Stücke (Brahms - Bartok - Prokofiew) / Liszt (Figaro-Fantasie) – Siehe in: Führer durch die Konzertsäle Berlins, Konzertplan vom 16. März bis 29. März 1931,
11. Jg., Nr. 24, S. 2.
4.) Dienstag, 26. April 1932, abends 8 ¼ Uhr, Bechsteinsaal (Linkstraße 42), Klavier-
Abend. Programm: Bach: Orgel-Choral-Vorspiel „Allein Gott in der Höhe sei Ehr“ / Händel: Chaconne / Beethoven: Sonate op. 109, [ders.:] Eroika-Variationen op. 35 /
Hindemith: Übung in 3 Stücken / Skrjabin: Sonate op. 64 / Prokofiew: Flüchtige Visionen / Strawinsky: Sonate (1924) – Siehe in: Führer durch die Konzertsäle Berlins, Konzertplan vom 8. April bis 7. Mai 1932, 12. Jg., Nr. 33, S. 6.
Eine Konzertbesprechung durch Fischer (1922)
Aus seinem Musikstudium ist noch eine Kritik Fischers nicht über ihn, sondern von ihm
vorhanden, die Fischer offenbar im Jahr 1922 verfasste und die für einigen Unmut an der Hochschule sorgte, deren Wortlaut aber wiederzugeben, zu weitläufig erscheint und die
daher nur bibliografisch mitgeteilt und paraphrasiert sei: H[einz] F[ischer], [unter der Überschrift] Konzert – Theater – Kunst. Die Gesellschaft der Musik= und Literaturfreunde, in: Anzeiger für den Berliner Norden (Pankow) [67], undatierter Zeitungsausschnitt, veröffentlicht vermutlich im Oktober 1922 gleich der dazugehörigen
handschriftlichen Eingabe an das Hochschul-Direktorium vom 31. Oktober 1922.
Der 19-jährige Heinz Fischer hatte sich mit einer im Konzert erbrachten Leistung
von Musikern, die der Berliner Hochschule für Musik nahestanden, in ungebührlich wirkender Weise auseinandergesetzt, was eine drei Seiten umfassende handschriftliche
Eingabe an die Direktion der Hochschule nach sich zog (unterzeichnet: „Heid“ [mit mir unleserlichem Wort davor]). Diese Kritik, die unter anderem sonstigen
Berichterstattungen über dasselbe Konzert gegenübergestellt wurde, hatte Fischer wahrscheinlich mehr geschadet als genutzt. Georg Schünemann verfügte: „Heinz
F i s c h e r – Schüler von Kreutzer – ist zur Sprechstunde zitiert, weil er über Felix
H e i d – Schüler von [Egon] Petri – eine öffentlich herabreissende Kritik geschrieben
hat. | Schünemann“. Da jedoch kein Tonträger dieses Konzerts überliefert ist, ist die Berechtigung von Fischers Vorwürfen fraglich und könnte nicht grundlos gewesen sein.
Es lässt sich aber nicht mehr entscheiden. Auf dem Brief Schünemanns steht mit blauem Stift groß „Erledigt“, die abgekürzte Person in gleicher Handschrift dahinter war mir unleserlich. (Bilddateien: Geschichte einer Kritik 1.jpg bis „[...] 7.jpg“; „Privat-Archiv
Inge Lammel Berlin-Pankow“, erhalten von Herrn Gerhard Hochhuth am 17. September [sic] 2015.)
Ilse Rewalds Text über Heinz Fischer ([über Ereignisse vom] September 1939 bis [zur]
Nachkriegszeit), entstanden 1995
Ilse Rewald schrieb am 16. August 1995 – Dokument als dreiseitiges Typoskript, Scan,
erhalten freundlicherweise von Herrn Gerhard Hochhuth am 17. August 2015 aus dem „Privatarchiv von Inge Lammel, Berlin-Pankow“; die Absätze gehen aus dem Typoskript
nicht immer eindeutig hervor; die Interpunktionszeichen behalten das Original aber bei. Der Bericht sei nicht kommentiert – er spricht für sich.
[Seite 1] „Ilse Rewald 14163 Berlin, 16.8.[19]95
Quermatenweg 184
Heinz Fischer, geb. 15. Februar 1903 in Berlin zuletzt wohnhaft Berlin-Pankow, Breite Str. 8 Deportation am 18. [über dieser
durchgestrichenen Tagesangabe des Datums steht:] „24[.]“ „Oktober 1941 nach Litzmannstadt“.
Mein Ehemann Werner Rewald wurde im September 1939 zwangsweise als Jude zum Kartoffeleinsatz nach Müncheberg [ca. 50 km östlich von Berlin] verpflichtet. Seine Kollegen waren Akademiker, Kaufleute, Handwerker und Künstler. Nachts
waren sie in einer Scheune auf Strohlagern untergebracht. Als der Arbeitseinsatz beendet war, wurde ein vierzehntägiges Treffen miteinander verabredet. Sie waren
als Fremde zusammen gekommen, aber durch die besondere Situation als ,Kartoffel-Buddler‘ Freunde geworden. [11a]
Die Wohnungen waren zum Teil zu klein für die Zusammenkünfte mit ihren
Ehefrauen, aber ein Plättbrett, über zwei Stühle oder Kisten gelegt, schaffte Sitz-Gelegenheiten.
Die politischen Gespräche und Sorgen sollten nicht zu erdrückend werden.
So wurde vereinbart, dass jeder aus seinem früheren Beruf einen Vortrag hält. Wir hörten einen Apotheker, einen Kurbelsticker [Handwerker an einer eigenen
Stickmaschine] und am liebsten dem Spiel eines Pianisten zu.
Heinz Fischer lebte mit seiner Mutter Frieda [sic] und seiner älteren Schwester
Lotti in einem schönen Haus in Berlin-Pankow, Breite Str. 8 und war froh, endlich nicht nur für sich allein zu musizieren, sondern dankbare Zuhörer zu haben.
Vierhändig spielte er uns mit seiner Mutter die Sinfonien von Beethoven vor.
In dem Musikzimmer erklangen Schubert, Brahms, Mendelssohn, Grieg und Chopin. Sein Spiel verzauberte uns für Stunden in eine andere Welt. Von
allen kulturellen Veranstaltungen ausgeschlossen, vergassen wir die täglichen Schikanen und Diskriminierungen und schöpften neue Hoffnung und Kraft für den
grauen Alltag [vgl. das in Teil 1, Anm. [9], belegte Zitat].
Abgesehen von den Treffen der Kreise der ,Buddler‘ und ihrer Frauen entstand
bald eine intensive Freundschaft zwischen Heinz Fischer und uns. Wir wohnten in einem möblierten Zimmer in der Konstanzerstr. 60 und freuten uns an Gesprächen über Musik, Literatur und hörten [Seite 2] gemeinsam unsere Schallplatten.
Im Sommer sassen wir im Garten seines Pankower Hauses unter alten Kastanienbäumen, übersetzten Shakespeare und nahmen Blumen und Obst als
Abschiedsgeschenke entgegen. Heinz Fischer ermutigte mich zum Schreiben, um diese trostlose Zeit für Konzentration meiner Gedanken zu nutzen. Er zwang mich
durch seine Kritik zum gründlichen Nachdenken und besseren Formulierungen.
Schreiben als Befreiung von Trauer, als Positives dem Negativen entgegen zu stellen. Er machte mir begreiflich, dass das Negative genau so wenig absolut
ist wie das Positive. Von ihm lernte ich die Kraft, mich trotz aller Geschehnisse nicht erdrücken zu lassen.
Seine starke Persönlichkeit und sein Optimismus wirkten auf uns beruhigend und so freuten wir uns von einem Zusammensein auf das nächste.
Nachdem wir alle drei zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, nur eine Fahrgenehmigung von der Wohnung zum Arbeitsplatz bekamen, das Telefon
abliefern mussten, war ein Treffen fast unmöglich. Wir verabredeten ein Telefongespräch von einer öffentlichen Fernsprechzelle zur anderen an einem
bestimmten Tag, zur vereinbarten Zeit. Natürlich handelten wir damit gegen das Verbot, denn für Juden, dekoriert mit einem Judenstern, war auch das untersagt.
Erwartungsvoll stand ich zur verabredeten Zeit in dem Telefonhäuschen, um wenigstens die vertraute, kräftige Stimme zu hören. Sie klang dieses Mal
anders! Heinz Fischer sagte: ,Ilschen, das ist uns letztes Gespräch! Die Gestapo ist in unserer Wohnung und wir, meine Mutter meine Schwester und ich werden
deportiert.‘ Ich weiß nicht, wie er es noch geschafft hat, mit mir zu sprechen. Am nächsten Tag stand ich tieftraurig vor der ehemaligen Synagoge in der
Levetzowstr., die jetzt als Sammellager für Juden benutzt wurde. Der Zutritt war strengstens verboten, aber durch einen jüdischen Helfer informiert, stand plötzlich
Heinz am Fenster. Er sah grau und wie erstarrt aus, gab mir aber Zeichen der Ermutigung, mich nicht unterkriegen zu lassen. Mit grosser Mühe unterdrückte ich
meine Tränen bei dieser letzten Begegnung vor seiner Deportation nach Litzmannstadt. Auf vorgedruckten Karten bestätigte er mit [Seite 3] seiner
Unterschrift die von uns gesandten Päckchen. Bald blieben auch diese spärlichen Lebenszeichen aus und weitere schmerzliche, gewaltsame Trennungen standen uns bevor.
Alle Nachforschungen nach dem Kriege blieben erfolglos. Unsere Freunde waren
ausgelöscht, vernichtet, ermordet worden. Vor ein paar Wochen stand ich vor dem vertrauten Haus in Pankow, fühlte mich wie ein Doppelgänger, und lauschte seiner Musik in meinem Innern.“ [68] (Bilddateien: Bericht [von Ilse] Rewald im „Privat-Archiv Inge Lammel Berlin-Pankow“, Nr. 1–3.jpg)
Damit sei die traurige Geschichte des Heinz Fischer beendet, der am 15. Februar
1903 in Berlin-Pankow geboren wurde und am oder kurz nach dem 4. Mai 1942 in dem Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno nad Nerem, heute in Polen) im Alter von
39 Jahren gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester umgebracht wurde.
Es bleibt mir, eine Quelle zu nennen, die ich gerne in das Vorstehende einbezogen hätte.
Frau Barbara Schieb machte mir nämlich jene Briefe als Scan zugänglich, die Heinz Fischer vorwiegend an Ilse Rewald und manchmal auch an deren Ehemann Werner
Rewald geschrieben hatte und die in Ilse Rewalds Nachlass an der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW) überliefert sind. Diese Briefe sind
in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Und aus ihnen geht deutlich hervor, dass sie nicht ohne Grund entstanden, denn unter anderem trat darin eine Art von
„Dreiecksbeziehung“ zwischen Heinz Fischer und dem Ehepaar Rewald zu Tage. Die Zwangsarbeit Heinz Fischers in einem Malereigeschäft wurde ebenso wie die
Arbeit der „Buddler“ (Kartoffelbuddler in Müncheberg) gestreift. Den bestehenden Text insgesamt zu bearbeiten und dennoch alles einzubeziehen, stellte mich jedoch vor eine fast
unlösbare Aufgabe. Deshalb seien die Briefe in der folgenden Anmerkung nur bibliografisch genannt und dem Leser zur Lektüre nachdrücklich empfohlen. [69]
Frau Schieb danke ich nochmals sehr herzlich, dass sie mich auf diese wichtige Quelle aus
den letzten Lebensjahren Heinz Fischers aufmerksam machte, denn die Briefe sind unersetzlich für das Verständnis vieler Gedanken, Hintergründe und Zusammenhänge.
Nachwort
Diese Briefe Heinz Fischers haben sich Zeit ihres Lebens im Privatbesitz von
Ilse Rewald befunden. Mit mir hat sie zu ihren Lebzeiten nicht darüber gesprochen. Nach ihrem Tod im Dezember 2005 kam der historisch wichtige Teil ihres Nachlasses in
die Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Als er dort gesichtet und verzeichnet wurde, war schnell klar, dass es sich bei diesen Briefen um die wunderschön verfassten Briefe
von Heinz Fischer an Ilse Rewald handelt. Sie liegen also als Teil ihres Nachlasses in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand.
Barbara Schieb, Januar 2016
Anmerkungen zu Teil 2
[44] Vgl. Berliner Adreßbuch 1930, Teil IV, S. 2168 [7312:7313], Sp. [5], (Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019]). Die Mutter Frida Fischer steht hier als Eigentümerin
am Anfang der Einträge unter „Breite Straße 8.9“; dann kommen zwei fremde Namen und anschließend Heinz Fischer und seine Schwester L[otti]. – Welches Diplom im
Fache Musik („Dipl.Musik“) Heinz Fischer damals bereits erlangt hatte, ist mir nicht bekannt (dieses Diplom erschien bereits im Jahr 1929 im Berliner Adreßbuch, Teil I, S
. 778, Sp. [3], dritter Eintrag von unten; Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019]). In
der Adressbuch-Ausgabe 1930 (Teil I, S. 724, Sp. [3]) heißt es unter Heinz Fischer „Dipl.Musik.“, während ebd. auf S. 726, Sp. [2] seine Schwester Lotti als „Frl.“
= Fräulein bezeichnet wird, was auf eine unverheiratete Frau deutet.
[45] Vgl. Berliner Adreßbuch 1941, Teil IV, S. 2416, Sp. [4] (Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019]). Siehe auch in dem Aufsatz über Ellen Epstein den in Anm. [105] belegten Passus.
[46] Vgl. Berliner Adreßbuch 1941, Teil I, S. 668, Sp. [4] (Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019]).
[47] Signatur: Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II), Nr. 9228.
(Zu danken habe ich Herrn Thomas Ulbrich, Potsdam, für seine Recherchen sowie telefonischen Auskünfte.) – Diese „Vermögenserklärungen“ wurden auch von Inge Lammel ausgewertet, vgl. Jüdische Lebenswege (wie Anm. [10]), S. 58.
[48] Lotti Fischer schreibt in ihrer begreiflichen Aufregung „Haslke“ anstelle von
„Halske“. Die Firma „Siemens & Halske“ erscheint unter drei verschiedenen Adressen in Berlin-Kreuzberg bzw. Spandau Hakenfelde in „Berliner Zwangsarbeits-Firmen“, eine
Datenbank, welche die Berliner „Geschichtswerkstatt“ ins Internet gestellt hat (hier Nr. 581 bis 600 der Online-Ausgabe, Recherche: Maren Brodersen); vgl. http://www.berliner-geschichtswerkstatt.de/zwangsarbeit/firmen2.htm. Zwar wird hier die Bezeichnung „Jungfernheide“ nicht gebraucht, doch da dieser Name zur Siemensstadt
von Berlin gehört, dürfte eine Verbindung naheliegen.
[49] Die Arbeitsstelle von Heinz Fischer ist durch diese Angaben von Namen und
Adresse des Arbeitgebers leicht identifizierbar. Man findet sie wieder im Berliner Adreßbuch 1941, Teil I, S. 1747, Sp. [2], sechster Eintrag von unten als „[Lebrecht] –
Otto Malereigesch[äft] N 65 Ostender Straße 27a T[elefonanschluss]“ in Wedding (Online-Ausgabe); vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_ Postbezirke _%28ab_ 1862%29. Im Branchenverzeichnis findet man das Geschäft, vgl. Teil II, S. 367, Sp. [1],
unter „Malermeister u. =geschäfte“ (Online-Ausgabe) sowie im Straßenverzeichnis
(Teil IV), S. 642, Sp. [3] (Online-Ausgabe).
[50] Vgl. Lammel (wie Anm. [10]), S. 58, 2. Absatz, wo es heißt: „Anfang 1940 wurde
er [Heinz Fischer] […] zu Zwangsarbeit verpflichtet. Ilse Rewald […] schildert ihre Erinnerungen an Heinz [Fischer], mit dem ihr Mann [der Innenarchitekt Werner Rewald]
zeitweise in einer Gruppe von »Kartoffelbuddlern« [11a] in Müncheberg [ca. 50 km
östlich von Berlin] arbeiten musste. Nach dem Ende des Einsatzes trafen sich die inzwischen befreundeten Familien regelmäßig, um sich gegenseitig aus ihrem vergangenen
Leben zu erzählen und Gedanken auszutauschen.“ Hieran schließt Lammel sinngemäß das als Zitat bereits Wiedergegebene an (siehe das in Anm. [9] Belegte) und erwähnt die
Worte Ilse Rewalds, dass Heinz Fischers starke Persönlichkeit, sein Optimismus und die vielen Gespräche über Musik und Literatur „im Garten des Pankower Hauses“ in dieser
Zeit für sie ermutigend waren. Siehe zu dem Garten auch das in Anm. [25] belegte Zitat.
[50a] Dieses Foto wurde bereits reproduziert, nämlich als Titelbild der Ausgabe, die von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin veröffentlicht wurde: 22 Hilfen für
Verfolgte, 22.2 Ilse und Werner Rewald | Ella und Inge Deutschkron. Als Legende erhielt das Foto dabei den Text: „Zwangsarbeit jüdischer Männer | zur Kartoffelernte |
Müncheberg, Herbst 1939 | Untere Reihe außen links: Werner Rewald; | obere Reihe von links: Herr Hirschberg, | Botho Holländer und Heinz Fischer. | Die anderen Männer
sind unbekannt. | Neben Werner Rewald versuchen Botho | Holländer und Willi Krebs unterzutauchen. | Sie werden aufgespürt, deportiert | und ermordet.“ Eine genaue
Datierung ließ sich nicht finden; Abschrift eines Scans.
[51] Bei dem Taxator dürfte es sich (aufgrund der leserlichen Unterschrift, die nur den
Familiennamen verwendet), um „Johann Pacholeck“ gehandelt haben, welcher im Berliner Adreßbuch 1941 als „Vollstreckungs[-]Sekr[etär]“ bezeichnet wurde (heute
volkstümlich Gerichtsvollzieher) und der in Berlin-Buchholz, Chamissostr. 28 als Hauseigentümer ansässig war (Teil I, S. 2229, Sp. [2]; Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019]). Pacholeck, dessen Lebensdaten unbekannt sind, wurde auch in den Berliner
Adressbüchern von 1942 und 1943 unter derselben Adresse in Berlin-Buchholz (Chamissostr. 28) verzeichnet, ferner in den vorangehenden Adressbüchern ab
spätestens 1930, wobei sein Name zunächst aber regelmäßig „Pacholek“ (ohne „c“ vor dem „k“) geschrieben wurde und er als „Beamter“ unter Chamissostr. 30 eingetragen war.
[52] Vgl. beispielsweise im Jg. 1941, S. 2416, Sp. [4]; Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019].
[53] Wie Anm. [10], S. 134, wo auch Sabine Rebschläger über das Haus schreibt: „Es
war Lottis Idee, den hohen Dachstuhl zu zwei Mansardenwohnungen ausbauen zu lassen. 1934 wurden sie fertig und das Ehepaar Schliepe zog ein […].“ Dass der Ehemann der
Kaufmann „Walther Schliepe“ war, geht aus dem Berliner Adreßbuch 1935 hervor (dort Teil I, S. 2296, Sp. [4], Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019]). Die Tochter des Ehepaars Schliepe hieß Rotraud mit Vornamen; „Frau Schliepe“, deren Vorname
nicht genannt ist, wird bei Rebschläger (siehe in dieser Anmerkung oben) auf S. 133 und 134 erwähnt. Im Berliner Adreßbuch 1943 ist W[alther] Schliepe nochmals unter
derselben Adresse (Pankow, Breite Straße 8, [Beruf:] Korrespond[ent]) in Teil IV, S. 2436, Sp. [4] verzeichnet. Siehe zur Abbildung des Hauses: Teil 1, Anm. [25].
[54] Vgl. I. Lammel, Jüdische Lebenswege (wie Anm. [10]), S. 58. Im selben Buch schreibt S. Rebschläger in ihrem Bericht Familie Fischer auf S. 135: „Als einzige (erste)
jüdische Familie in Pankow wurden Frida, Lotti und Heinz Fischer bereits am 23. Oktober 1941 abgeholt und in die Synagoge Levetzowstraße in Moabit gebracht, eine
der Sammelstellen für KZ-Transporte. Die ausgefüllten Vermögenslisten mussten mitgebracht werden.“
Ilse Rewald schrieb in ihrem Vortrag (14. Mai 1975) unter dem Datum Oktober 1941:
„Unser Freund, der Pianist, ist auch abgeholt worden […].“; womit sie wohl Heinz Fischer meinte (vgl. auch Anm. [50]), in: Ilse Rewald, Berliner, die uns halfen,
die Hitlerdiktatur zu überleben, Berlin: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, (4. Aufl., 1985), © 2001, Reihe: Beiträge zum Widerstand, Heft 6, S. 3; kostenloser download
der Broschüre unter http://www.gdwberlin.de/de/angebote/publikationen/ueberblick/
beitraege_widerstand_1933_1945/. – Die Ausgabe im Druck weicht nicht im Text von Ilse Rewalds Vortrag ab, sondern nur im Impressum der Broschüre von der Fassung im
pdf; vor allem erscheint auf der letzten Seite die Angabe „4. Auflage 1985“, wobei das Informationszentrum Berlin und „© 1975 Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
Berlin“ angegeben ist.
[55] In E. Weissweilers Buch Ausgemerzt! (wie Anm. [2]) ist unter Berufung auf das Gedenkbuch Berlins (ebenfalls Anm. [2]) das Datum der Deportation auf S. 394 mit
„24.1.1941“ [sic] angegeben; hier fehlt vermutlich eine Null bei der Monatsangabe.
[55a] Vgl. Alfred Gottwaldt und Diana Schulle, Die »Judendeportationen« aus dem
Deutschen Reich 1941–1945. Eine kommentierte Chronologie, © 2005 bei den zwei genannten Autoren sowie beim Marix Verlag GmbH, Wiesbaden, 509 gez. Seiten. Hierin der Abschnitt Die 20 Transporte aus dem »Großdeutschen Reich« nach
Litzmannstadt (Lódź) im Oktober und November 1941 (S. 52–83) sowie die Tabelle
im Anhang (S. 444). Zu dem Transport von Berlin nach Litzmannstadt am 24. Oktober 1941 (987/1146, = „Welle II“) siehe S. 75–76; zu dem Weitertransport nach Kulmhof
siehe S. 67. Auf S. 54 ist die Reproduktion eines Fotos des Berliner »Judenreferats« beigefügt, das ehemals als jüdisches »Brüderhaus« gedient hatte (vgl. [34]).
[56] Vgl. das in einer Online-Ausgabe zugängliche Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933–1944) und hier die Suche im Namenverzeichnis unter „Fischer, Frida“, „Fischer, Heinz“ und „Fischer, Lotti“, mit Personen- und Ortsangaben. – Das Datum der Deportation (24.
Oktober 1941) wird bestätigt durch das Buch von Gottwaldt und Schulle (siehe vorige Anm.). Durch Angabe des Deportations-Datums kann man in der Datenbank des Gedenkbuchs ersehen, wer gleichzeitig mit der Familie Fischer nach Litzmannstadt
gebracht wurde.
Frau Barbara Welker (wie Anm. [13]) wies mich auf folgendes Buch hin, das den
Todestag von Heinz, Lotti und Frida Fischer auf den 4. Mai 1942 festlegt (doch konnte ich das Buch bisher nicht selbst einsehen): Berliner Juden im Getto Litzmannstadt
1941–1945. Ein Gedenkbuch, bearbeitet von Ingo Loose, Konzeption: Thomas Lutz, Berlin: Stiftung „Topographie der Terrors“, 2009, S. 206.
Zum Lager Kulmhof und zu Einzelheiten des Vorgangs der Ermordung der Juden vgl. auch hier.
[57] Vom Landesarchiv Berlin erfuhr ich, dass im „Aktenbestand B Rep. 032“
(Haupttreuhänder für das Rückerstattungsvermögen) Anmeldungen und Rücknahme von Wertpapieren vorhanden seien, wobei nur „Heinz Fischer“ angegeben wurde. Antragsteller war hierbei die 1948 gegründete „Jewish Restitution Successor Organization“. (Schriftliche Mitteilung in zwei E-Mails von Frau Gisela Erler,
Landesarchiv Berlin am 14. und 15. September 2011, der für ihre Bemühungen vielmals gedankt sei.)
[58] Vgl. die Benennung der drei Familienmitglieder als „Eigentümer“ (jeweils „E.“) im Berliner Adreßbuch 1941 auf S. 3 (wie Anm. [45]).
[59] Vgl. die beiden letzten Ausgaben des Berliner Adreßbuchs: Jg. 1942, Teil IV,
Seite 2441, Sp. [1] (Online-Ausgabe [Link veraltet, 8.2.2019]) und Jg. 1943, Teil IV, S
. 2436, Sp. [4] (Online-Ausgabe 1943).
Statt eines oder mehrerer rechtmäßiger Eigentümer stand im Berliner Adreßbuch ab der
Ausgabe 1941 auch ein „Verwalter“ („V.“) der Hauses, dessen Adresse aber nicht an der bezeichneten Stelle erschien und dessen Name zwar ähnlich ist, sich aber nicht
ganz deckt mit dem Querverweis auf ihn. Jedoch ist in den Adressbuch-Ausgaben von 1941 (S. 2416, Sp. [4], Online-Ausgabe), 1942 (S. 2441, Sp. [1], Online-Ausgabe)
und 1943 (S. 2436, Sp. [4], Online-Ausgabe) unter „Breite Straße 8.9“ in Pankow
jeweils auf einen „Verwalter“ namens „A. Sansatleben“, „A. Sausatleben“ oder noch anders verwiesen, der in Weißensee in der „Metzstraße 10“ ansässig sei. Anhand
früherer Jahrgänge des Berliner Adreßbuchs lässt sich ab der Ausgabe 1933 jedoch ersehen, dass hier immer ein „Alfred Sammtleben“ [sic], wohnhaft in Berlin-Weißensee
erst in der Straßburgstraße 76, danach in der Metzstraße 10a verzeichnet war – zunächst
als „Kaufmann“, dann als „Helfer in Steuersachen“. Da der Name „Alfred Sammtleben“ gewöhnlich auch im Einwohnerverzeichnis – so auch in Teil I der drei letzten Bände des
Adressbuchs (1941–1943) – zusammen mit der Adresse auftrat, dürfte es sich hier um jene Person gehandelt haben, der die Verwaltung des Hauses der deportierten Familie Fischer oblag.
Weitere Einzelheiten sind mir über A. Sammtleben nicht bekannt, auch wenn mir
die fehlerhafte Schreibweise von Name und Adresse in einem Adressbuch, dessen Titelseiten sich stets auf die Benutzung „amtlicher Quellen“ beriefen, gerade bei einem
Haus, das inzwischen enteigneten und deportierten Juden gehört hatte, mehr als befremdlich scheint. Ob hier Zufall oder Absicht vorlagen, die sich häufenden
Unstimmigkeiten infolge des Krieges entstanden oder eine schwer leserliche Handschrift dem Eintrag zu Grunde lag, kann wohl nur ein Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen
zeigen. Gleichwohl wird in diesem Punkt nichts Geringeres angesprochen als die Glaubwürdigkeit des Berliner Adreßbuchs als Quelle, das gleich anderen Dokumenten
in dieser Zeit möglicherweise auch dazu diente, nationalsozialistische Verbrechen nicht allzu leicht nachschlagbar zu machen und somit zu vertuschen.
[60] I. Lammel, Jüdische Lebenswege (wie Anm. [10]), S. 57.
[61] S. Rebschläger in: I. Lammel, Jüdische Lebenswege (wie Anm. [10]), S. 134.
[62] Anfragen in London bei der British Library (Mark Reaveley, Customer Services),
dem „Jewish Museum London“ (Elizabeth Selby, Social History Curator) und bei der „Wiener Library. Study for the Holocaust & Genocide“ (Howard Falksohn, Reader
Services) im Dezember 2011 und Januar 2012 blieben ohne Ergebnis. (Für die Informationen danke ich den Genannten vielmals.)
[63] S. Rebschläger in: I. Lammel, Jüdische Lebenswege (wie Anm. [10]), S. 135.
[63a] Frau Dipl.-Archivarin Antje Kalcher (Universitätsarchiv der Universität der Künste
Berlin) belegte im Folgenden die Quellen und stimmte einer Aufnahme im vorliegenden Aufsatz zu (E-Mails am 11. und 13. Oktober 2015):
„Nach unseren Unterlagen hat Heinz Fischer in der Zeit von Oktober 1921 bis Juli
1926 an der Staatlichen akademischen Hochschule für Musik Klavier studiert. Er besuchte die Klasse von Leonid Kreutzer (* 13.3.1884 S[ank]t Petersburg, †
30.10.1953 Tokio). Darüber hinaus belegte er, wie üblich, die Fächer Theorie der Musik, Musikgeschichte sowie Instrumentenkunde und Gehörbildung. Am 21. Juli
1926 legte er die Reifeprüfung ab. Die Prüfungsfächer waren die obengenannten. Im Hauptfach erhielt er die Note ,genügend‘, ebenso in der Theorie, in
Musikgeschichte erhielt er ein ,ausreichend‘. Seine Kenntnisse in Instrumentenkunde werden als genügend, z. T. gut bezeichnet. Sein Gehör wird als ,ausreichend‘ beurteilt.
Die wichtigste Quelle zu seinem Studium ist die Prüfungsakte: Universität der Künste Berlin, Universitätsarchiv, Bestand 1, Nr. 2068 (Abgangs- und
Reifeprüfungen 1926-1928). Darüber hinaus gibt es noch einen Vorgang zu seiner Person in der Akte Bestand 1, Nr. 534 (eine Sammelakte zu Studierenden, Einzelakten gab es seinerzeit nicht).“
[64] Zu Kreutzer vgl. Wolfgang Rathert und Dietmar Schrenk (Hg.) mit Beiträgen von
Linde Großmann und Heidrun Rodewald, Pianisten in Berlin. Klavierspiel und Klavierausbildung seit dem 19. Jahrhundert, Berlin: Hochschule der Künste, © 1999,
S. 74–75, Hochschule der Künste-Archiv, Bd. 3 (mit Foto von Leonid Kreutzer). Hier auch zu Osborn auf S. 75. – Ferner existiert ein Scherenschnitt von Kreutzer, den Ellen
Epstein angefertigt hatte. Vgl. Deutsche Allgemeine Zeitung, in dieser Das Unterhaltungsblatt (= Beilage der DAZ), Ausgabe Groß-Berlin, Freitag Morgen, 70. Jg., Nr. 85, S. [8] (der DAZ), Sp. [4], vom 20. Februar 1931; hier.
[65] Der Pianist Franz Osborn scheint zur selben Zeit wie Heinz Fischer seine
Reifeprüfung im Juli 1926 an der Berliner Hochschule abgelegt zu haben (vgl. Bilddatei: „Reifeprüfung 04“ und „ ...05“). Osborn ist in der Datei Reifeprüfung 04 an sechster
Stelle genannt (Heinz Fischer an zweiter); Vermerk in „04“: Spalte des Formulars: „Eintritt in die Hochschule“ am 2. April 1921, „Austritt“: März 1926. Datei „05“ mit
identischer Aufstellung derer, die ihr Studium mit der Reifeprüfung beendeten. – Siehe auch das Buch über Grete Sultan in Anm. [66], S. 79, unten. – Vgl. das Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in
Wort und Bild, Schriftltg.: Dr. Robert Volz, 2. Bd. (L–Z), Berlin: Deutscher Wirtschaftsverlag, 1931, S. 1366–1367 mit einem Artikel und Foto von Franz Osborns
Vater (geb. am 10. Februar 1870 in Köln), dem Sachbuch-Schriftsteller M a x Osborn, dessen Sohn Franz-Joachim, geb. 1903, seit 1923 als Pianist tätig war; Tochter Hilde
(geb. 1897), ibidem.
[66] In diesem Konzert am 26. November 1924 wirkte Grete Sultan mit, deren Lehrer
ebenfalls Leonid Kreutzer war. Sie spielte hier Beethovens Sonate in D-moll, Op. 31, Nr. 2 („Der Sturm“). Vgl. Moritz von Bredow, Rebellische Pianistin. Das Leben
der Grete Sultan zwischen Berlin und New York, Mainz: Schott, © 2012, besonders S. 79 ff.: Studium bei Curt Sachs und Leonid Kreutzer, S. 80 mit
Fotografie von L. Kreutzer. Heinz Fischer wird in dem Buch nicht erwähnt.
[67] Vgl. Handbuch der Deutschen Tagespresse, 5. Aufl., hg. vom Deutschen Institut
für Zeitungskunde Berlin, Berlin: Carl Duncker Verlag, 1934, S. 91, hier linke Spalte unter Berlin-Pankow.
[68] Zm Anfang dieses Textes von Ilse Rewald vgl. das hier reproduzierte Foto,
das sowohl ihren Ehemann, Werner Rewald (ganz links, sitzende Reihe) sowie Heinz Fischer zeigt (stehende Reihe, als Einziger ohne Mütze, Mitte). Es handelt sich hier um
eines der seltenen Fotos der „Kartoffelbuddler“ in Müncheberg. Vgl. hierzu zur Zwangsarbeit auch Anm. [50].
[69] Die Briefe von Heinz Fischer an Ilse und Werner Rewald aus dem Nachlass von
Ilse Rewald sind heute archiviert in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW),
Berlin, Stauffenbergstraße 13–14 (24 Scans der Originale, ungefähr zwölf Briefe, zum Teil undatiert und unvollständig). Eine Transkription der gelegentlich schwer
zu entziffernden und neu zu ordnenden handschriftlichen Briefe liegt in der GDW vor.
Chronologie zu Heinz Fischer
Die Tätigkeiten Heinz Fischers haben sich vorwiegend in Berlin zugetragen; er wohnte bis
zu seiner Deportation (Oktober 1941) in Berlin-Pankow. Die Werke, die Fischer aufführte, sind im Haupttext genannt, soweit sie mir bekannt wurden.
1864 20. VIII.: Geburt des Vaters in Johannisburg (Ostpreußen)
1877 22. II.: Geburt der Mutter (Geburtsname Fränkel) in Nürnberg
1889
5. XI.: Inaugural-Dissertation des Vaters an der Berliner Universität (Wirkung der Coloquinthen [Koloquinten], der sich in den folgenden Jahren als praktischer Arzt in Pankow niederließ
ca. 1890–1900 Erwerb des Grundstücks in Pankow durch den Vater; das ihm gehörende großräumige Wohn- und Geschäftshaus wurde danach errichtet
seit 1891 Ansässigkeit des Vaters in Pankow bis zu seinem Lebensende (1927)
1901 19. IV.: Geburt der Schwester Lotti in Pankow
1903 15. III.: Geburt von Heinz Fischer in Pankow
1914
28. I.: Kaiserlich-königliche Ernennung des Vaters zum Sanitätsrat
1921
2. IV.: Eintritt in die Hochschule für Musik zu Berlin, Beginn des Studiums Klavier-Unterricht bei Leonid Kreutzer
Okt. 1922
Kritik in einer Zeitung, verfasst von Heinz Fischer 31. X.: Eingabe ans Direktorium der Hochschule wegen vorstehender Kritik
1926
21. VII.: Reifeprüfung an der Musikhochschule
1927 18.VII.: Suizid des Vaters Dr. med. Julius Fischer auf dem S-Bahnhof Berlin-Börse
24.VII.: Private Todes-Anzeige in dem Berliner Tageblatt 5. VIII.: Bestattung der Asche des Vaters auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee
1928 24. III.: Meistersaal, Werke von Paul Hindemith, unter Mitwirkung des Komponisten (Bratsche); u. a. Heinz Fischer (Klavier)
1929–1931 Drei Besprechungen über Heinz Fischer in der Allgemeinen Musikzeitung
1929
15. XI.: Konzert mit zeitgenössischer Musik (u. a. Norbert von Hannenheim)
1930 6. III.: Singakademie, Klavier-Abend
1931 18. III.: Singakademie, Klavier-Abend
1932 26. IV.: Bechsteinsaal, Klavier-Abend
1936 Januar: Hauskonzert bei Gertrud Weil (jüdische Musik) Februar: J. S. Bach, Begleitung von Werken für Violoncello
1937
11. XI.: „Seelische Winterhilfe“ mit Musik in der Berliner Synagoge
1939
Zwei Fotos (in Sessel sitzend und als „Kartoffelbuddler“ bei Müncheberg)
1940 Artikel „Heinz Fischer“ in dem Lexikon der Juden in der Musik von Herbert Gerigk
und Theophil Stengel
Anfang 1940 Zwangsarbeit: Heinz Fischer in dem Malereigeschäft Otto Lebrecht in Berlin-Wedding,
seine Schwester Lotti bei Siemens & Halske in Berlin-Jungfernheide
ca. 1940–1941 Unveröffentlichte Briefe an Ilse (und Werner) Rewald
1941 25.–28. VI.: Letzter Besuch von Fri(e)da Fränkel bei Verwandten in Nürnberg 15./17. X.: Unterschriften unter die Vermögenserklärungen
23. X.: Abholung der Fischers durch die „Gestapo“ 24. X.: Deportation mit der Reichsbahn nach Litzmannstadt [Łódź] (Polen)
1942 am oder kurz nach dem 4. V.: Ermordung in Kulmhof (Chełmno nad Nerem, heute
Polen) zusammen mit seiner Schwester Lotti und der Mutter (mittels „Gaswagen“?)
Dank
Den im Folgenden genannten Personen danke ich vielmals für die Überlassung, Beschaffung und
Auswertung von Dokumenten oder ihre Suche nach solchen, die mir die Arbeit zum Teil erheblich erleichterten.
Alpers, Mathea, Bibliothek Zeven, Fernleihe
Breier, Tobias, Heidelberg, Universität Heidelberg, Musikwissenschaftliches Seminar Erler, Gisela, Berlin, Landesarchiv Berlin Falksohn, Howard, The Wiener Library London for the Study of the Holocaust & Genocide
Grünzweig, Werner (Dr.), Berlin, Akademie der Künste, Leiter des Musikarchivs Harnisch, Ellen (Dr.), Berlin, Kassenärztliche Vereinigung, Service-Center Hartisch, Kristin, Berlin, Bundesarchiv Hochhuth, Mili und Gerhard, Berlin-Niederschönhausen Jochem, Gerhard, Stadtarchiv Nürnberg, Forschungsschwerpunkt
jüdische Geschichte Kalcher, Antje (Diplom-Archivarin), Berlin, Universitätsarchiv, Universität der Künste Berlin
Lammel, Inge (Dr.), verstorben, siehe den gleichnamigen Artikel der Wikipedia Middendorf, Sonja, Zeven, Bibliothek Zeven, Fernleihe Nase, Annette, Leipzig, Deutsche Nationalbibliothek Leipzig
Pohl, Thomas, Verwaltung des Jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee Poos-Breir, Christiane, Frankfurt am Main, Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, Musikbereich Reaveley, Mark, British Library, London (West Yorkshire), Customer Services Rudat, Sascha, Berlin, Ärztekammer Berlin, Leiter der Pressestelle
Schieb, Barbara, GDW (Gedenkstätte Deutscher Widerstand), Berlin Selby, Elizabeth, Jewish Museum London, Social History Curator Ulbrich, Thomas, Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv Welker, Barbara, Berlin, Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum Wolf, Steffi, Leipzig, Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Sachgebietsleiterin
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